Bateman, Colin
Annes Namen, und dass sie in Auschwitz für die SS
gespielt hat. Aus irgendeinem Grund lässt das bei dem Verleger was klingeln,
und er beschließt, mehr darüber rauszufinden. Du weißt schon, so wie in Akte Odessa, wo der Journalist, der den
Holocaust untersucht, sich als der Sohn des einzig guten Nazis in der Geschichte
erweist. Womöglich ist der Verleger sogar persönlich verwickelt - und als
Rosemary sich weigert, ihm mehr darüber zu erzählen, weil sie das ja gar nicht
kann, wird er wütend und bringt sie um. Oder er informiert Odessa darüber, an
was sie da dran ist, und die lassen sie beseitigen.«
Jeff schüttelte den Kopf. »Du
beschwerst dich doch immer darüber, dass ich irgendwelche hirnrissigen Verschwörungstheorien
verbreite. Und jetzt hör dich selber mal an.«
Vielleicht hatte er Recht.
Nazi-Verschwörungen waren Anfang der Siebziger für kurze Zeit populär gewesen,
als viele dieser Kerle noch auf der Flucht gewesen waren. Vermutlich gab es
auch heute noch ein paar greise Altnazis, die gejagt wurden, trotzdem war es
eher unwahrscheinlich, dass Odessa noch existierte. Und wenn doch, stellte die
Organisation wohl kaum noch eine ernst zu nehmende Bedrohung dar. Das bedeutete
selbstverständlich nicht, dass der Verleger nichts mit dem Mord an Rosemary zu
tun hatte. Allerdings sah ich im Augenblick keine realistische Möglichkeit, es
ihm nachzuweisen. Und das mal ganz beiseite, gab es natürlich auch keine
Leiche.
Rosemary Trevor konnte sich
ebenso gut immer noch in diesem Wohnwagen in Ballycastle amüsieren.
* * *
So fasziniert ich auch war,
und so sehr mir mein Kreuzzug für die Gerechtigkeit und alle Benachteiligten
dieser Welt am Herzen lag, hatte ich doch ein Geschäft zu führen. Zuerst und
zuförderst war ich ein Buchhändler, mit dem Auftrag, Kriminalliteratur zu
bewerben und zu verkaufen, und das auf einem äußerst schwierigen Markt. Ich
konnte mich nicht einfach nach Deutschland verdrücken, um dort nach einer
verschwundenen Frau zu suchen, egal, wie attraktiv sie war. Ebenso wenig konnte
ich Kein Alibi einfach vorübergehend schließen - an wen hätten sich denn die
aufrechten Bürger Dublins wenden sollen, wenn sie Rat und Beistand in Sachen
guter Literatur benötigten? Es war in Ordnung, wenn ich mich gelegentlich für
fünf Minuten aus dem Staub machte, um einige meiner anderen Fälle zu lösen,
aber das hier war etwas völlig anderes. Und um keinen Preis würde ich meinen
ganzen Stolz und einzigen Besitz für mehrere Tage in den Händen eines
hinterlistigen Blödmanns wie Jeff lassen. Vielleicht hätte ich anders darüber
gedacht, hätte ich einen persönlichen Bezug zu dem Fall gehabt: so wie Jon
Voight auf den Spuren des Verbrechens an seinem Vater. Doch mir gingen weder
eine Frau noch eine Mutter ab, ja nicht einmal ein entfernter Cousin dritten
Grades. Außerdem, womit ich mich da in meiner Freizeit beschäftigte, war ein Hobby. Daher stand es mir frei, einen
Fall zu übernehmen oder abzulehnen, ganz wie es mir behagte. Ich schuldete
Daniel Trevor nicht das Geringste. Stattdessen mussten neue Bücher geordert und
neue Verkaufsstrategien ausgeheckt werden, um mehr Kunden in den Laden zu locken.
Und weiß der Himmel, womöglich trieben tatsächlich Nazis da draußen ihr
verschwörerisches Unwesen? Selbst wenn sie sich nur noch mit Hilfe von
Rollatoren fortbewegen konnten, war die panische Angst vor ihnen meiner labilen
Verfassung alles andere als zuträglich. Der Fall von Mrs. Gearys Lederhose hatte mir bereits mehrere
Magengeschwüre beschert, und von den Farbdämpfen, die ich während des Falls der Schwuchtel auf der
Überführung eingeatmet
hatte, war mir ein übles Asthma geblieben. Die Nazis würden mir jetzt wohl den
Rest geben.
Nachdem Jeff verschwunden war,
ließ ich mir die ganze Angelegenheit noch einmal gründlich durch den Kopf gehen
und kam zu dem Ergebnis, dass es am klügsten wäre, sich still und leise aus dem
Fall zurückzuziehen. Und zwar unter Angabe gesundheitlicher Gründe. Ich wollte
schon Daniel Trevor anrufen, um ihm das persönlich mitzuteilen, als ich mich
eines Besseren besann, denn bei einleuchtenden Argumenten oder entschlossen
vorgetragener Gegenmeinung kann ich ziemlich schnell einknicken. Also schickte
ich ihm lieber eine E-Mail. Außerdem beschloss ich, den Rest des Tages nicht
mehr ans Telefon zu gehen, für den Fall, dass er mich zurückrief.
Meine E-Mail war knapp und
prägnant. Ich teilte ihm mit, ich hätte die von ihm
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