Bateman, Colin
wenig
empfehlenswert. In manchen Situationen ist ein betrunkener Fahrer besser als
ein zögerlicher. Ein betrunkener Fahrer konzentriert sich nämlich besonders auf
den Verkehr, um Unfälle zu vermeiden. Dagegen eiert ein verunsicherter Fahrer
durch die Straßen und provoziert so Zusammenstöße. Ein betrunkener Fahrer
blinkt einen halben Kilometer vor einer Abbiegung, was eine große Hilfe für die
Nachfolgenden ist. Und er überquert niemals eine Ampel bei Rot. Alison
widersprach zwar all diesen Regeln der Erfahrung, doch ich verlor natürlich
kein Wort darüber. Ich hatte ihr einfach die Schlüssel zugeworfen und erklärt,
ich wolle die Akten durchgehen, die wir aus Malcolm Carlyles Büro gestohlen
hatten und die sich nun chaotisch auf meinem Schoß und zu meinen Füßen
stapelten. Da wir ohnehin nichts mehr zu verlieren hatten, waren wir noch
einmal zurückgekehrt und hatten so viele Akten eingesammelt, wie wir tragen
konnten. Ich ersparte mir allerdings einen neuerlichen Blick auf den Verstorbenen.
Sicher hätte ich dabei interessante Spuren entdeckt, aber mein Magen war dem
einfach nicht gewachsen. Als wir aus Carlyles Büro zurückkehrten, stapelten wir
Bücherkisten vor das Loch, das Alison in die Wand getreten hatte; ein eher
jämmerlicher Versuch, unseren Einbruch zu tarnen.
Wir waren unterwegs, um Anne
Radek in ihrem neuen Zuhause zu besuchen - dem Purdysburn Hospital. Daniel
Trevor hatte uns ihren Aufenthaltsort verraten. Allerdings erst, nachdem er
sich von der Herzattacke erholt hatte, die er erlitt, als er von uns erfuhr,
dass seine Reaktion auf die Nachricht von Manfreds Tod nicht überzogen gewesen war, dass aller
Wahrscheinlichkeit nach doch ein Killer hinter uns her war und dass er dringend
Maßnahmen ergreifen musste, um sein Fortleben zu sichern.
»Ich befinde mich hier in der
Gesellschaft von Dichtern, und im hinteren Schlafzimmer liegt sogar eine
Bildhauerin. Unter solchen Umständen würde der Killer doch wohl nichts
unternehmen, oder?«
Dichter? Nicht unbedingt
berühmt für ihren kämpferischen Mut.
»Ich denke, Sie sind in
Sicherheit«, beruhigte ich ihn trotzdem. »Wird Annes Mann auch im Hospital
sein?«
Nein lautete die Antwort. Sein
Name war Mark Smith. Die beiden hatten sich schon vor fünfundzwanzig Jahren
getrennt, hatten aber zwei erwachsene Kinder.
Während wir dahinjagten, bei
Dunkelgelb Kreuzungen überquerten und uns von Bodenschwellen durch die Luft
katapultieren ließen, erkundigte sich Alison: »Purdysburn, ist das nicht da, wo
all die Bekloppten hinkommen?«
»Ich glaube, sie haben dort
ein ziemlich breites Spektrum an Patienten.«
»Man hört aber immer, es wäre
eine Klapsmühle. Als Kind haben sie einen immer damit aufgezogen, man würde
noch in Purdysburn landen. Wenn man irgendwas Bescheuertes angestellt hatte,
haben die Leute gespottet: Du gehörst nach Purdysburn. Man brauchte nur
irgendwie den Clown zu spielen, schon hieß es ...«
»Soweit ich weiß, hat sich das
geändert.«
»Na ja, ich hoffe nur, dass
sie nicht bellt. Schließlich müssen wir ihr Geheimnis erfahren.«
Von dieser Notwendigkeit war
ich nach wie vor nicht überzeugt. Manchmal liegt im Unwissen großer Trost.
Lange Zeit hatte ich keine Ahnung, dass Canberra die Hauptstadt Australiens
ist, und noch viele Jahre, nachdem ich es herausgefunden hatte, beunruhigte
mich die Frage nach dem Warum. Annes Geheimnis ging uns im Grunde nichts an.
Unsere Aufgabe bestand lediglich darin, sie von der Möglichkeit in Kenntnis zu
setzen, dass sie vielleicht demnächst gewaltsam sterben würde.
Etwa einen Kilometer vor
Purdysburn stieß ich auf die Akte von Rosemary Trevor oder zumindest auf den
Ordner, in dem sie sich einst befunden hatte. Es war unmöglich zu sagen, ob
er absichtlich geplündert worden war oder ob der Inhalt unter den Hunderten von
Blättern verstreut lag, die ich in Malcolm Carlyles Büro zurückgelassen
hatte. Normalerweise bin ich pedantisch bis zur Besessenheit, aber die
Umstände unseres zweiten Besuchs waren wenig angetan für eine systematische
Suche, um nur meine Stauballergie und die Anwesenheit der verrottenden Leiche
im Nebenraum ins Feld zu führen. Alison nahm meinen enttäuschten Seufzer zur
Kenntnis, kommentierte ihn aber nicht.
Wir bogen auf den Parkplatz
des Hospitals. Er war bevölkert von Menschen, die zur abendlichen Besuchszeit
eintrafen.
Während Alison parkte, den
Motor abstellte und ihre Tür öffnete, erklärte ich: »Wir hätten einfach anrufen
sollen.«
Sie
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