Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bateman, Colin

Bateman, Colin

Titel: Bateman, Colin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Mordsgeschaeft
Vom Netzwerk:
richtig zu, zum ersten Mal seit der
Eröffnung des Buchladens. Normalerweise ziehe ich nur die Rollläden zwei
Drittel herunter, damit diese Schläger in ihren Musikkapellenuniformen mich
nicht des Verrats bezichtigten, während alle Eingeweihten Bescheid wussten.
Man konnte einem Süchtigen nicht einfach so seinen Stoff vorenthalten, es
musste immer Nachschub geben. Also schlich vier- oder fünfmal am Tag ein Kunde
am Laden vorbei, vorsichtig nach militant wirkenden Protestanten ausspähend,
und schlüpfte, sobald er sich absolut sicher sein konnte, dass draußen die Luft
rein war, für seine Ration Stoff unter dem Rollladen hindurch ins Innere, wie
ein Sherlock Holmes in Zivil in die Parker-Knoll-Version einer Opiumhöhle.
    Nicht so in diesem Jahr.
    Dieses Jahr entführte mich
Alison auf ein Picknick.
    Schon im Vorfeld warnte ich
sie, dass ich Belfast nur ungern verließ, aus Angst vor Fliegen und Kühen, aber
sie lachte nur und sagte: »Wovor hast du Angst, etwa vor einer
Baummilben-Attacke?« Das war der siebte Punkt auf meiner Liste der
meistgefürchteten Dinge, aber es gab keinen Grund, ihr das zu verraten. Ich mag
es nicht, wenn man sich über mich lustig macht. Das stand übrigens auch auf
meiner Liste.
    Also einigten wir uns auf die
Grünanlagen vor der City Hall. Sie hatte Sandwichs gemacht. Und während ich die
Brote daraufhin durchging, welche davon mein Magen verkraften konnte, zeigte
sie mir einige ihrer Comics. Ich fand sie fantastisch. Und das nicht, weil ich
in irgendeiner Weise voreingenommen war. Schließlich wusste ich, über was ich
redete. Als ich sie fragte, wo ich ihre Comics kaufen könnte, meinte sie, das
sei lächerlich, und ich könnte sie geschenkt haben. Woraufhin ich entgegnete, nein, in welchen
Läden sie üblicherweise verkauft wurden, woraufhin sie sagte, sie besäße nur
ein paar Exemplare, die sie zu Hause ausgedruckt hätte.
    »Und du willst sie mir schenken?« Sie nickte und lächelte. »So
was wie umsonst gibt es nicht«, erklärte ich.
    Sie legte sich zurück auf die
Decke, die dunkle Brille auf der Nase und genoss die Sonne. »Na ja«, sagte sie,
»vielleicht verlange ich später einen Kuss dafür.«
    »Da musst du aber schon viel
Glück haben.«
    Wir lachten. Sie lachte, weil
sie dachte, ich hätte einen Witz gemacht. Ich lachte, weil ich wusste, dass ich
zu dem Zeitpunkt längst wieder zu Hause wäre, mit gebrochenem Herzen, beschämt
und voller Wut auf mich selbst, weil ich wieder mal irgendetwas Albernes gesagt
oder getan hatte.
    Aber bevor es dazu kam, rollte
sie sich zu mir herüber, verzog das Gesicht und sagte: »Was ist mit deinen
Augen?«
    »Ich bin kurzsichtig.«
    »Nein, das meine ich nicht...«
    Außerdem hatte ich noch
Linsentrübungen im Angebot und Diabetes und...
    Sie beugte sich zu mir
herüber. »Nein, ich glaube, da ist was... Schließ sie mal kurz.«
    Ich schloss die Augen.
    Sie küsste mich auf die Lippen.
    Dann legte sie sich wieder auf den Rücken.
    Als deutliches Indiz dafür, wie geschockt und zugleich
angenehm berührt ich war, vergaß ich völlig, nach meinen antiseptischen Tüchern
zu greifen.
     
    In den nächsten zwei Wochen
machte das ganze Land blau - am Feiertag ganz offiziell und die übrige Zeit, um
sich davon zu erholen. Und als Detective Robinson aus seinem Urlaub
zurückkehrte, den er zweifellos an irgendeinem fiesen, billigen Ort des
Massentourismus verbracht hatte, war sein Ulster-Teint knallrot verfärbt, die
Haut schälte sich, und seine Sommersprossen stachen heraus wie Leberflecke.
Fast ein wenig schüchtern offenbarte er, dass er uns im Fall Malcolm Carlyle
nicht länger benötige, da mittlerweile Zweifel bestanden, ob es sich überhaupt
um einen Mord handelte. Die Leiche war so stark verwest, dass die genaue
Todesursache unmöglich zu bestimmen war. Und da außerdem keine konkreten
Beweise vorlagen - keine Kugeln, keine Frakturen, keine Kampfspuren (womöglich
hatte er die Akten bei einem Zusammenbruch, etwa einer Herzattacke, selbst
heruntergerissen) - wurden die Ermittlungen vorläufig eingestellt. Überrascht
wies ich ihn darauf hin, dass Carlyle mit mehreren Dutzend Wunderbaum-Lufterfrischern
behängt gewesen war, was er wohl kaum selbst getan hatte, außer es handelte
sich dabei um eine neue und extreme Perversion, die der Öffentlichkeit bisher
entgangen war, obwohl es vielleicht längst eigene Premium-Websites dafür gab.
    Darauf erwiderte Detective
Robinson, vermutlich habe sich da jemand einen Scherz erlaubt. Womöglich

Weitere Kostenlose Bücher