Bateman, Colin
Weg
dorthin war mir kotzübel vom Geschaukel der Busse und der Fähre - und auf dem
Rückweg noch einmal das gleiche Spiel. Falls sich dort ein Wunder ereignet
hat, hab ich wegen der ganzen Kotzerei nichts davon mitgekriegt.
Da Detective Robinson sich
noch kein schlüssiges Gesamtbild machen konnte, verlangte er, dass Jeff ebenfalls
eine Aussage machte. Jeff tat aufgebracht, schien es aber heimlich zu genießen,
ebenfalls was von der Aufmerksamkeit abzubekommen. Die Aussicht, eine Kampagne
zu seiner eigenen Befreiung aus dem Gefängnis zu starten, erregte ihn
offensichtlich weit mehr als die Proteste gegen die Inhaftierung irgendwelcher
obskurer Linker auf entfernten Kontinenten, mit denen er sich in der letzten
Zeit herumgeschlagen hatte. So langsam wie er zur Mittagspause aus dem Laden
schlich, schien er bereits Kette und Kugel um sein Fußgelenk zu tragen. Als er
schließlich die Ladentür erreicht hatte, in der Tasche seine 12 Pfund, die er
dafür eingeschoben hatte, den ganzen Morgen hinter der Kasse in der Nase zu
bohren, reckte er kämpferisch die Faust in Luft. Ich verabschiedete ihn auf
ähnliche Weise, benutzte jedoch lediglich zwei Finger.
Nachdem er abgezogen war,
spähte ich über die Straße und bemerkte Alison in ihrem Geschäft. Sie zeigte
auf ihre linke Hand und hielt fünf gespreizte Finger empor. Ich nickte. Sie war
gleich, nachdem sie ihre Aussage gemacht hatte, zurück an die Arbeit geeilt;
und da ich immer noch damit beschäftigt gewesen war, meine zu machen, hatten
wir uns nicht über die Vorfälle des gestrigen Abends oder die dramatischen
Entwicklungen des Morgens austauschen können.
Ich hatte eigentlich
vorgehabt, mit ihr gemeinsam ein Stück zu laufen, aber als ich die Rollläden
heruntergelassen, die Toasts abgepflückt und sie in den Müll geworfen hatte,
hatte sie den Juwelierladen bereits verlassen. Ich erhaschte gerade noch einen
Blick auf sie, wie sie das Starbucks betrat. Nebenan war nach wie vor die Polizei
zugange, und der Gehweg vor dem Laden war immer noch abgesperrt. Nur der
Leichenwagen war verschwunden.
Im Starbucks herrschte
Hochbetrieb. Alle redeten über den Mord. Ich schnappte Bruchstücke der
Unterhaltungen auf, während ich nach Alison suchte. Schließlich entdeckte ich
sie oben im ersten Stock an einem Fensterplatz für zwei. Von ihrem Platz aus
hatte sie die Botanic Avenue im Auge bis hinunter zum Laden und den
Polizeiaktivitäten. Ich dagegen saß mit dem Rücken zum Fenster.
»Ich hab dir einen kleinen
Cinnamon Dolce Latte bestellt«, sagte sie. »Sie bringen ihn in einer Minute
hoch. Viel los.«
Ich lächelte dankbar. Ein
falsches Lächeln. Es war nicht das nächste Getränk auf der Karte. Sie hatte
zwei übersprungen. Wenn ich es auch nur berührte, machte das drei Wochen
Arbeit zunichte.
»Tut mir leid wegen des
Toasts«, erklärte ich. »Es war ein familiärer Notfall.«
»Mir tut es leid wegen des
Toasts«, erwiderte sie. »Es war ein kindischer Akt der Rache.«
Ich nickte. Sie nickte.
»Was für eine Art familiärer
Notfall?«, fragte Alison.
»Meine Mutter. Sie bringt
manchmal so komische Nummern.«
Alison lächelte. »Du sagst das
so, als wäre sie eine Komikerin. Komische Nummern.« Ich nickte. Meine Mutter
war alles andere als eine Komikerin. »Alles wieder in Ordnung?«
»Ja. Klar. Danke der
Nachfrage. Die Frau hat nie einfach nur Kopfschmerzen, es ist immer gleich ein
Infarkt. Weißt du, was ich meine?«
»Und das eine Mal, wo du nicht
darauf eingehst, ist es wirklich ein Infarkt.« Sie hatte verstanden. Ich war aus dem
Schneider. Der Cinnamon Dolce Latte traf ein. »Also, was wollen wir
unternehmen?«
»Wegen?«
Sie verdrehte die Augen. Dann
beugte sie sich vor. »Der Fall. Der Mord. Der Attentäter.«
»Kein Attentäter«, verbesserte
ich. »Ein Attentäter ermordet bedeutende Menschen.«
»Also was? Was wollen wir gegen ihn
unternehmen? Warum haben wir es nicht einfach der Polizei erzählt? Werde ich
den Rest meines Lebens nach Verfolgern Ausschau halten müssen? Wirst du eine
Pistole unter deiner Theke aufbewahren? Was wird mit Daniel Trevor geschehen?
Ist Rosemary wirklich tot? Wer hat Manfred auf dem Gewissen? Ist Anne in
Purdysburn sicher?«
»Ich habe eine Zimtallergie«,
erwiderte ich.
»Seit wann?«
»Seit meiner Kindheit. Aber
manchmal bessert es sich kurzzeitig.«
Sie musterte mich ausgiebig.
Dann schüttelte sie den Kopf, aber ohne dabei irgendwie abschätzig zu wirken.
»Du hast schon so gewisse Eigenarten,
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