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Bateman, Colin

Bateman, Colin

Titel: Bateman, Colin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Mordsgeschaeft
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gelangen, sich dort in Ruhe
umzusehen, um dann einen Plan auszuhecken, wie er mich beseitigen und
unerkannt entkommen konnte?
    Während diese Gedanken wie
Ping-Pong-Bälle in meinem Schädel hin und her jagten, streckte er sich hinauf
zu einem höheren Regalfach, um ein Buch herunterzuholen. Dabei rutschte sein
Arm aus Hemdsärmel und Jackett, und für einen kurzen Moment sah ich eine Serie
halbverblasster Zahlen, die auf die Innenseite seines Unterarms tätowiert
waren.
    Mein Mund klappte auf.
    0...
mein ... Gott...
    »Entschuldigen Sie«, stammelte
ich. Der Mann wandte sich um. Sein Gesicht war grau, und unter seinen Augen
hingen Tränensäcke. »Waren ... waren Sie etwa selbst in Auschwitz? Ich... äh...
habe zufällig Ihre...«
    Ich tippte auf meinen
Unterarm. Einen Moment wirkte er verwirrt, dann lachte er plötzlich. »Ah!«,
rief er, während er wieder zur Theke kam. »Meine wahre Identität ist
aufgeflogen!«
    Das bedeutete zwar noch lange
nicht, dass er nicht der Killer war, aber plötzlich erschien alles anders,
leichter. Ich löste meine Hand von dem Schlachtermesser, das ich erneut
umklammert hatte.
    Er stellte sich direkt vor
mich, zog den Ärmel erneut zurück und betrachtete kurz die Nummer, bevor er
ihn wieder zurechtschob. »Es ist schon lange her. An diesem Ort durften wir
keine Bücher besitzen. Wir durften überhaupt nichts besitzen. Aber trotzdem
waren irgendwie Bücher hineingelangt. Sie waren unser Ausweg. Seit dieser Zeit
liebe ich Bücher. Diese Bibel begleitet mich seit damals. Um mich daran zu
erinnern.« Er nickte eine Weile vor sich hin. Ich wusste nicht, was ich sagen
sollte. Alison kam zur Theke herüber und stellte sich neben mich. »Das ist
nicht etwa Ihre Frau?«, fragte er.
    »Nein«, sagte ich.
    »Noch nicht«, erklärte Alison.
Sie streckte ihre Hand aus. »Ich bin Alison.«
    Während sie sich die Hände
schüttelten, richtete sich sein Blick wieder auf mich. »Es tut mir leid. Ich
hätte mich schon früher korrekt vorstellen sollen. Aber ich wollte erst sehen,
was für eine Art Mensch er ist, der Buchhändler, der meiner Frau so einen
großen Gefallen erwiesen hat.«
    »Ihrer...«
    »Meine Frau ist Anne Smith.
Anne Radek. Wie ich gehört
habe, haben Sie ihr vermutlich das Leben gerettet.«
     
    30
     
    Kaum hatte Mark Smith - Mark Radek - den Buchladen verlassen,
postierte ich mich am Ladenfenster und ruderte wild mit den Armen, um die
Aufmerksamkeit der beiden Jungs gegenüber auf mich zu lenken, damit sie dem
alten Mann nicht folgten. Sie waren ganz offensichtlich in keinem guten Zustand.
Beide hielten eine Plastiktüte umklammert und pressten sie sich vors Gesicht.
Benommen torkelten sie im Kreis und kicherten. Einer von ihnen bemerkte Mr.
Radek und stieß seinen Kumpel an, der zurückboxte. Als einer von ihnen herüber
zum Laden spähte, zog ich mir einen Finger quer über die Kehle, bereute diese
Geste aber sofort, als der Kerl die Taschen nach seinem Lieblingsmesser zu
durchforsten begann. Ich eilte zur Tür und erhaschte gerade noch einen Blick
auf Mr. Radek, der in zwanzig Schritten Entfernung in den Fond eines Jaguars
stieg. Der Wagen fuhr los, bremste aber unvermittelt ab, als die beiden Kerle
sich über die Kühlerhaube warfen.
    Dann rollten sie auf der
anderen Seite wieder herunter und lagen lachend auf der Straße.
    Der Jaguar hupte einmal und
glitt dann leise davon.
    Meine
Botanic-Avenue-Hilfspolizisten waren absolut nutzlos. Morgen früh würden sie
sich an nichts mehr erinnern, außer an die vage Ahnung, dass ich ihnen Geld
schuldete.
    Ich zog mich in die relative
Sicherheit des Ladens zurück. Detective Robinson hatte sich inzwischen mit seiner
Bücherauswahl zur Theke begeben. Er hatte sich für W. R. Burnetts Der Asphalt-Dschungel von 1950 entschieden und für
Jim Thompsons Grifters von 1963. Eine ausgezeichnete Wahl, aber das war schließlich auch
nicht allzu schwer in meinem Laden. Ich machte ihm einen guten Preis, und wir
spielten wieder das alte Quittungs-Spielchen.
    »Ich habe zufällig ein
bisschen was von Ihrem Gespräch aufgeschnappt. Es muss ein gutes Gefühl sein,
wenn jemand hereinkommt und einem dankt. In meinem Job kriegt man immer nur
Beschwerden zu hören.«
    Meine Unterhaltung mit Mark
Radek hatte sich sehr im Vagen gehalten, und er hatte relativ leise gesprochen.
Daher konnte der Detective den Inhalt des Gesprächs wohl nur erahnen und hatte
keinerlei Hinweise darauf erhalten, dass es in Zusammenhang mit dem Mord an
Malcolm Carlyle

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