Bateman, Colin
Nachthimmel
zeichnete sich bereits die Dämmerung ab. In früheren Zeiten wären jetzt die Milchwagen
unterwegs gewesen.
Ich war müde. Mit etwas Glück
bekam ich zu Hause noch ein paar Stunden Schlaf, nachdem ich die in meinem
Kopf gespeicherten Autokennzeichen notiert hatte.
Müde
und dämlich.
Aus der Prügelei vorhin in der
Gasse hätte ich lernen müssen, immer auf der Hut zu sein - besonders wenn ich
mich Orten näherte, an denen ich mich üblicherweise aufhielt. An meiner Straßenecke angekommen, hätte ich
eine Pause einlegen, die Nummernschilder und die Hauseingänge kontrollieren
sollen, oder ich hätte das Haus durch die Hintertür betreten sollen, anstatt
einfach weiter daraufloszumarschieren, aus Leibeskräften zu gähnen und dabei zu
übersehen, dass jemand in dem Wagen direkt vor meiner Haustür saß.
Ich kramte gerade nach meinen
Schlüsseln, als eine Stimme konstatierte: »Sie sind aber ziemlich spät noch
unterwegs.«
Ich erbebte. Die Schlüssel
befanden sich in meiner Hand, aber ich konnte sie nicht heben. Langsam drehte
ich mich um, das Schlimmste befürchtend.
Detective Robinson stieg aus
seinem Wagen.
Herr
im Himmel.
»War nur spazieren«, erklärte ich. Er nickte in
Richtung Haus. »Ich hab geklingelt, aber niemand hat aufgemacht.«
»Sie wird schon schlafen.«
»Wer... Alison?«
»Meine Mutter.«
»Ich hab ziemlich lange geklingelt.«
»Nach Einbruch der Dunkelheit geht sie nie an die Tür.
Was wollen Sie hier?«
»Mich unterhalten.«
»Es ist reichlich spät.«
»Sie sind doch derjenige, der
sich um die Zeit noch draußen herumtreibt. Wir sollten besser reingehen.«
Ich blickte auf das Haus.
Versuchte mich daran zu erinnern, ob irgendetwas herumlag, an dem er sich
hätte stören können. Aber nein, ich bin ja immer sehr vorsichtig. Ich nickte,
und er folgte mir die Stufen hinauf. Nachdem ich die Haustür aufgesperrt
hatte, führte ich ihn durch den Flur in die Küche. Ich bot ihm einen Platz am
Küchen tisch an, dann füllte ich den Kessel und blieb mit dem Rücken zu ihm
stehen, während ich darauf wartete, dass das Wasser kochte.
»Sie haben überall Bücher
herumliegen«, bemerkte er. »Die können Sie doch unmöglich alle gelesen haben.«
»Die meisten schon.«
»Da hätte ich gar keine Zeit
mehr zum Arbeiten.«
»Das ist meine Arbeit. Von einem
Chirurgen erwartet man schließlich auch, dass er mit den neusten Entwicklungen
vertraut ist. Und ein Börsenmakler muss immer ein Auge auf die Märkte haben.«
Als ich mich mit den beiden
Kaffeetassen zu ihm umdrehte, musterte er mein Gesicht.
»Sind Sie in eine Schlägerei
geraten?«, erkundigte er sich.
»Ja«, erwiderte ich, »mit
einer Tür. Stelle mich manchmal ein bisschen ungeschickt an.«
»Schaut für mich aber eher
nach einer Schlägerei aus.«
»Sie sollten mal die Tür
sehen.«
»War schön, heute Abend in
Ihren Erstausgaben zu stöbern. Mir gefällt Ihr Laden. Ist irgendwas Ungewöhnliches
passiert, nachdem ich weg war?«
»Was zum Beispiel?«
»Das sollen Sie mir sagen.«
Ich setzte mich an den Tisch
und rührte in meinem Kaffee. Er wusste irgendetwas. Und er wusste, dass ich
wusste, dass er etwas wusste. Aber ich hatte mit einer Lüge begonnen und war
entschlossen, nicht vom einmal eingeschlagenen Kurs abzuweichen.
Er taxierte mich. Womöglich
hatte er gestern Abend doch mehr mitbekommen als vermutet, und es hatte nur
eine Weile gedauert, bis er sich eine Theorie zurechtgelegt hatte. Vielleicht
hatte er Rosemarys verschwundene Akte entdeckt und hatte erkannt, dass es da
eine Verbindung gab.
»Wo ist Ihr Lieferwagen?«,
fragte Detective Robinson plötzlich.
»Weg«, erklärte ich schnell. »Auf dem Schrott.«
»Schrott? Warum das denn?«
»Weil er alt war und klapprig
und völlig unbrauchbar. Ständig ging irgendwas kaputt. Und ich kann ihn nicht
selbst reparieren. Die Kiste hat mich ein Vermögen gekostet.«
»Gestern Abend stand er aber noch da.«
»Klar, er hat ihn erst später abgeholt.«
»Wer?«
»Keine Ahnung. Jemand, der
irgendwo aufgeschnappt hat, dass ich die Karre loswerden will.«
»Wie viel hat er Ihnen dafür gezahlt?«
»Nichts. Ich hab sie ihm
umsonst überlassen. Es hätte mich mehr als den Schrottwert gekostet, sie
abschleppen zu lassen, also ist er vorbeigekommen und hat ihn mir vom Hals
geschafft.«
»So schlimm sah er gar nicht aus.«
»Die frische Lackierung hat
alles zusammengehalten. Darunter war er total verrostet. Aber warum sind Sie so
an meinem Lieferwagen
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