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Bateman, Colin

Bateman, Colin

Titel: Bateman, Colin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Mordsgeschaeft
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keinen Fall konnte ich von dort zu Fuß
nach Hause gehen. Ja, ich konnte nicht mal von der Ladentür zu einem wartenden
Taxi laufen, da die Gefahr bestand, unterwegs ausgeknipst zu werden. Oder was,
wenn sich der Taxifahrer plötzlich als Killer entpuppte? So hatten die
berüchtigten, loyalistischen Shankill Butchers ihre katholischen Opfer in die
Falle gelockt. Das Taxi konnte in Wahrheit sogar ein bösartiger Transformer
sein. Alison war vermutlich imstande, sich zur Wehr zu setzen. Sie besaß
tödliche Hände und Füße. Meine Hände waren zart und zerbrechlich; und meine
Füße waren auch keine große Hilfe, sofern mein Nazi-Attentäter nicht gerade
allergisch auf Hühneraugen war. Ich war absolut wehrlos.
    »Es gibt Länder«, bemerkte
ich, »da kennen die Menschen keine Hühneraugen.«
    Sie blickte mich aus
zusammengekniffenen Augen an. »Was?«
    »Sie nennen die Dinger dort
Leichdorn oder Klavus. Gleiche Sache, aber sehr verwirrend.«
    »Alison an Planet Erde, bist
du auf Empfang? Wir sind an einem wunderschönen Strand, an einem sonnigen Morgen.
Wir sollten ein Stück laufen und alles besprechen.«
    »Was alles?«
    »Was du willst. Ich und Brian.
Oder du und dein Talent, Anarchie und Tod magnetisch anzuziehen. Hängt ganz davon
ab, was dir gerade am meisten auf den Nägeln brennt.«
    »Als Kind hatte ich diesen
wiederkehrenden Alptraum, in dem ich gezwungen war, sämtliche Sandkörner an
einem Strand zu zählen. Seit der Zeit erregen Strände grundsätzlich mein
Misstrauen.«
    Das eigentliche Problem bestand
jedoch darin, dass ich mich seither beim Anblick von Stränden herausgefordert
fühlte, es tatsächlich zu wagen. Aber dazu hätte ich jemanden gebraucht, der
die Gezeiten aufhielt, denn die hätten mit Sicherheit alles vermasselt.
    »Weißt du was? Du hast einfach
zu lange nein zu allem
Möglichen gesagt. Es ist einfach nur ein Spaziergang am Strand. Warst du jemals
Ski fahren?«
    »Was? Nein, natürlich nicht.«
    »Bergsteigen?«
    »Nein.«
    »Bist du nackt durch ein Kornfeld gerannt?«
    »Nein.«
    »Hast du Eier auf einen Ulster-Bus geworfen?«
    »Nein. Ganz sicher nicht.«
    »O je. Begreif doch, du lebst
nur einmal. Weißt du was? Manchmal kommst du mir vor wie eine Colaflasche, die
immer mal wieder heftig durchgeschüttelt wird. Da drinnen herrscht wildes Durcheinander
und Überdruck.« Sie stupste mich sanft gegen die Brust. »Und ich wette, wenn
jemand kommt und deinen Deckel aufschraubt, schäumst du über vor Leben.«
    Hundebesitzer trugen
Plastiksäckchen mit Kothaufen an uns vorbei. Ein Teenager im Gummianzug schleppte
ein Surfbrett mit Segel in die Wellen. Ältere Paare machten auf der Promenade
ihren Gesundheitsspaziergang.
    »So wie Brian bei dir den Deckel abgeschraubt hat.«
Sie seufzte. »Ja. Unter anderem.« Sie schüttelte den Kopf. »Schau dich nur an,
du wirkst so verletzt wegen dieser
Sache. Erwartest du wirklich von all deinen Frauen, dass sie jungfräulich
sind?«
    Mir gefiel der Ausdruck all deine Frauen. Er war so lächerlich.
    »Nein«, erwiderte ich. »Das
wäre unrealistisch.«
    Wir starrten eine Weile vor uns
hin. Schließlich blies sie die Luft aus den Wangen, öffnete die Tür und
raunzte: »Also, ich geh jetzt spazieren. Kommst du?«
    Ich hatte den Satz »Aber was
ist mit dem Scharfschützen?« noch nicht einmal zur Hälfte vollendet, da schlug
sie schon die Tür zu und marschierte los.
    Ich verschränkte die Arme und
wartete. Sie würde schon irgendwann zurückkommen.
     
    Aber dann schoss mir durch den
Kopf, dass sie bei ihrer Rückkehr womöglich das Beifahrerfenster zersplittert
und mich mit einem sauberen Einschussloch in der Stirn vorfinden würde, denn
vermutlich war das genau die Gelegenheit, auf die der Attentäter gelauert
hatte. Der russische Scharfschütze Vasily Zaytev hatte in der Hölle von
Stalingrad unendliche Geduld bewiesen; wie viel einfacher hatte es da meine
Nemesis, die sich an einem lauen Sommermorgen irgendwo im wilden Gras der Dünen
gemütlich einrichten konnte? Vielleicht hatte der Killer sogar eine
Thermoskanne und belegte Brote dabei. Den Strand entlangzulaufen war zwar nur
um ein Geringeres sicherer, aber zumindest bildete ich dann ein bewegliches
Ziel. Und wenn ich mich auf der dem Meer zugewandten Seite Alisons hielt und
ganz in ihrer Nähe blieb, bestand der Hauch einer Chance, dass er versehentlich
sie traf, was mir immerhin die Gelegenheit zur Flucht einräumte. Das Meer
stellte wohl den besten Fluchtweg dar. Vielleicht würde ich

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