Bateman, Colin
komm ich zurück und brenn deinen
Scheißladen nieder, und zwar wenn du drin bist, verstehst du mich?«
»Ja! Nehmen Sie den Wagen!«
Er richtete sich auf und stieg
von mir herunter. Ich wälzte mich hustend zur Seite. Sollte er doch die Karre
nehmen. Hauptsache, ich war am Leben. Beim Kein-Alibi-Lieferwagen war ohnehin
seit über drei Jahren der TÜV fällig, und die Reifen hatten so gut wie kein
Profil mehr. Das Ding war eine fahrende Todesfalle.
Zum Abschied stieß er einen
Finger in meine Richtung. »Du bist gewarnt!«
Ich grinste dämlich zu ihm
hoch. Und während er um die Ecke verschwand, lag ich immer noch rücklings auf
dem Kies und dem ganzen Glas, atmete schwer und lachte und lachte.
31
Ich liebe die Nacht, seit
jeher schon. Die Dunkelheit hat mir nie sonderlich Angst eingeflößt, und oft
ziehe ich sie dem Tag sogar vor. Besonders gerne mag ich nächtliche Straßen.
Mir gefällt die Vorstellung, endlos gehen zu können, ohne gesehen zu werden,
oder wenn, dann nur schemenhaft. Menschen mustern andere Menschen viel zu
aufmerksam. Mein Guru des Kreativen Schreibens, Brendan Coyle, geht davon aus,
er habe mit seinem Schreibmuskel etwas Einzigartiges entdeckt, aber letztlich hat er
damit nur in Worte gefasst, was die Leute jeden Tag in jeder Minute erleben:
Sie gaffen andere an und urteilen. Das sexy Mädchen, der alte Mann, die fetten
Oberschenkel, der versaute Haarschnitt. Ich mag es nicht, wenn Leute mich
ansehen und irgendetwas denken.
Daher schätze ich die Nacht: Kapuze hoch, Nagel in der Hand - so laufe ich
kilometerweit.
Ich stehe hinter Bäumen.
Stehe einfach nur da.
Diese Stadt hat sich so
verändert. Früher war sie geteilt, jetzt ist sie in Viertel zerstückelt. Vom
Kriegsgebiet zur Yuppisierung. Von den »T. B. Sheets« Van Morrisons zur
schicken Designer-Bettwäsche.
In der Nacht habe ich schon
Dachse schnüffeln und Füchse herumstreichen sehen. Ich habe den Kabbeleien von
Liebenden gelauscht und heimlichen Sängern. Habe verlassene Häuser heimgesucht
und bin durch frisch verputzte Neubauten spaziert. Ich habe Bitte putz mich in den Staub weißer
Lieferwagen geschrieben und Nüsse vor Vogelhäuschen gelegt. Ich habe auf
manikürten Rasenflächen Vogelstimmen imitiert und Rosen beschnitten, während
die Gärtner schliefen. Ich habe gefühlt, wie der Tau sich herabsenkt.
Nicht ein einziges Mal bin ich
wegen Hausfriedensbruchs oder Voyeurismus verhaftet worden, nie hat man mir
mit einem Unterlassungsbeschluss gedroht, mit einer Bewährungsstrafe, einer
Ausgangssperre oder gemeinnützigem Dienst.
Unlängst habe ich im Schatten
vor Alisons Haus gestanden und beobachtet, wie sie sich von Raum zu Raum
bewegt. Ich habe gesehen, wie viel Zeit und Kraft sie in ihre Kunst investiert.
Habe mitbekommen, wie sie sich in Gedanken verliert, während sie kocht, und
dann ihrem Wutanfall gelauscht, als ihr das Abendessen verbrannt ist. Ich habe
nach ihren Liebhabern Ausschau gehalten und keinen entdeckt, und ich habe
stundenlang darüber nachgedacht, warum sie sich für mich entschieden hat.
In dieser Nacht, nach dem
Überfall, hätte ich ohne weiteres an ihre Tür klopfen können. Blaue Flecken
und Abschürfungen schwellen bei mir immer sehr schnell und dramatisch auf. Und
die entsprechende Geschichte hatte ich mir schon zurechtgelegt. Sobald Alison
aufgehört hätte, mein armes Gesicht mit Küssen zu bedecken, hätte ich ihr
detailliert von meinem erbitterten Kampf um den Kein-Alibi-Lieferwagen
berichtet. Ich
seh übel aus, aber du solltest mal den anderen Kerl sehen. Ich hatte vor, ihn
bis zum Eintreffen der Polizei festzunageln, aber dieser Bastard hat mich
hinterrücks niedergeschlagen, und bevor ich mich wieder aufrappeln konnte,
hatte er sich schon die Schlüssel geschnappt und war über alle Berge.
Tat ich aber nicht. Ich
beobachtete nur. Innerlich machte ich mir Notizen über die in der Nachbarschaft
geparkten Autos. Ich konnte keine persönlichen Wunschkennzeichen entdecken.
Ich bin kein Freak. Ich
beschütze sie nur. Wer sonst tut das? Ich hätte dort drin bei ihr sein können,
aber im Licht bemerkt man nicht, was sich im Dunkeln abspielt, kann den Teufel
nicht kommen sehen. Bleibt man dagegen im Schatten, kann man sowohl in der
Dunkelheit sehen wie auch ins Licht spähen. Entscheidet man sich allerdings für
die Dunkelheit, ist man dazu bestimmt, seinen Weg alleine zu gehen.
Ich machte mich auf den
Heimweg. Es war kurz nach drei Uhr, ein lauer Sommermorgen, und am
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