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Batmans Schoenheit

Batmans Schoenheit

Titel: Batmans Schoenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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schienen, schlief er schnell ein. Gleich, was er nun träumte, es regte ihn nicht auf. Sein Schlaf war ruhig und gut.
    Als Red nach einigen Stunden erwachte, befand sich das Zimmer im sonnengereiften Zustand der abendlichen Dämmerung. Sonst war alles beim Alten: wenig frische Luft und auch der Werbezettel hatte sich nicht verändert: keine Adresse, kein Name, nur dieselben dubiosen Koordinaten.
    Red rollte vom Bett herunter und begab sich ins Badezimmer, wo er eine Weile auf der Toilette saß und erneut den Werbezettel des Buchladens betrachtete (für den Gang aufs Klo gilt eigentlich das gleiche wie fürs essen, man sollte nichts anderes daneben tun, weil der Körper es nicht begreift – man steuert ja auch nicht gleichzeitig ein Motorboot und steht dabei auf Wasserschiern), wechselte sodann unter die Dusche und betrat wenig später, wie man in Wien so sagt, gebürstet und gekampelt die Lobby des Hotels, einen Prunkraum mit einem Gemälde von Kaiser Franz Joseph sowie einem der Kaiserin Sisi, die aber auf diesem Bild unecht wirkte, weil sie so gar nicht an Romy Schneider erinnerte, die ja um einiges lieblicher gewesen ist, weniger verhungert, weniger philosophisch, weniger sentimental. Die Sisi auf den meisten Gemälden hingegen sieht immer so aus, als hätte sich hier der junge Ludwig Wittgenstein als Frau verkleidet, während einem bei der frühen Romy Schneider so gar nichts Maskulines in den Sinn kommt.
    Red setzte sich in einen der braunen, schweren Lederfauteuils und bestellte einen Campari, sein übliches Abendgetränk, ohne daß hier die Farbe eine entscheidende Rolle gespielt hätte. Campari ist nur rot, er schmeckt nicht rot.
    Als die Servierkraft nun den Drink vor ihn hinstellte, drückte Red ihr den Werbezettel in die Hand und fragte, ob sie ihm sagen könne, wo dieser Laden zu finden sei.
    Die junge Frau betrachtete eine Weile das bedruckte Papier und stellte dann fest: »Da ist keine Adresse drauf.«
    »Richtig. Darum frage ich Sie ja auch.«
    »Einen Moment. Ich werde mich erkundigen. Darf ich den Zettel mitnehmen?«
    »Natürlich«, sagte Red.
    Wenig später kam sie zurück und erklärte, daß vielleicht ein Mann namens Zötl helfen könne. Sie wisse zwar nicht, wo er wohne, aber er sei jeden Abend im phil zu treffen. »Phil kleingeschrieben«, ergänzte sie, als existiere auch eine großgeschriebene Version.
    »Gnade!« dachte Red. »Ich hasse diese Kleinschreiberei.«
    In der Tat waren ihm die Kleinschreiber verdächtig, nicht, weil er was gegen Linke hatte, aber eben gegen kleinschreibende Linke. Das war so ein Vorurteil von ihm.
    Dazu paßte nun bestens die Information, daß es sich beim phil um eine Symbiose aus Möbelgeschäft, Buchhandlung und Plattenladen handelte, nicht zuletzt um eine Kneipe, die relativ lange offen hatte. Und was man dort, bei den Kleinschreibern, sonst noch so alles machen konnte und durfte und mußte.
    »Um zwölf herum ist der Zötl immer dort, hundertprozentig.«
    »Wie erkenne ich ihn?« fragte Red.
    Wäre das hier ein Film oder Buch gewesen, dann hätte die junge Frau jetzt gesagt: »Er wird Sie erkennen.« Aber das tat sie nicht, sondern beschrieb Zötl als einen fünfzigjährigen, etwas verwahrlost wirkenden Träger dunkler Haare und eines dunklen Barts, der nie mit etwas anderem bekleidet sei als einem olivgrünen Overall.
    »Was macht der Mann?« wollte Red wissen.
    »Er ist Jazzmusiker. Professor an der Hochschule. Mit dem Spielen hat er aber aufgehört, als seine Mutter gestorben ist. Fragen Sie mich nicht …«
    »Sie haben mir sehr geholfen«, beeilte sich Red zu versichern und bewies seine Erkenntlichkeit, indem er das Trinkgeld ungewöhnlich hoch, ja unverschämt hoch ausfallen ließ. – Überall woanders auf der Welt hätte sich die Servierkraft jetzt gewehrt, zumindest geziert, nicht aber in Wien. Auch Geld war in dieser Stadt nur ein Ornament (und wenn einmal gesagt wurde, daß absolut jeder Klimt eine Fälschung beziehungsweise eine Erfindung der Wiener Kunsthändler ist, dann kann eigentlich auch gesagt werden, daß hier ebenso jede Geldmünze und jeder Geldschein eine Imitation darstellt, eine perfekte, aber auch Klimt ist ja ziemlich perfekt, wenigstens als Erfindung).
    Red spazierte durch die aus der Dämmerung aufleuchtende Innenstadt, die ganzjährig das Weihnachtsfest zitierte, und zwar im Stil dieser Adventskränze, an denen gar ein bißchen viel herunterhängt und an dem Vielen gar ein bißchen viel Gold klebt, dazu Samtbänder in Rot und

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