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Batmans Schoenheit

Batmans Schoenheit

Titel: Batmans Schoenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Gelb. Außerdem gab es eine Menge renoviertes Weiß, so daß sich aus der Vermischung der Farben der oft erwähnte Eindruck ergab, alles hier sei eigentlich Rosa, nicht Pink, aber Rosa mit hohem Blutdruck.
    Anstatt nun jedoch in einem der Innenstadtbeiseln sein Nachtmahl einzunehmen, betrat Red eins der bekannten Fastfoodrestaurants. Natürlich war das ein ekliger Fraß für jemand, der nicht vierzehn Jahre alt war und stolz auf das Meer von Pickeln in seinem Gesicht. Dennoch fühlte sich Red mit der Geheimnislosigkeit selbiges Fraßes wohler als mit den rätselhaften und bekanntermaßen mehr der Alchemie als der Kochkunst zuzurechnenden Kreationen der hiesigen Küche. Zumindest wollte er nicht gleich am ersten Abend das Risiko eingehen, Teil eines Versuchs zu werden, dessen Zweck er gar nicht kannte.
    Gegen elf beendete er sein Mahl, stieg in ein Taxi und ließ sich in die Gumpendorfer Straße bringen, wo das phil sehr ordentlich in einer Straßenecke einsaß. Schöne Räume, gemütlich und stilvoll, wohnzimmerhaft, komplex in der Art dessen, der ständig das Thema wechselt und dennoch bei der Sache bleibt. Zumindest, wenn man genau zuhört.
    Und um genau zuzuhören, darum war Red ja hier. So schwammig sich sein Magen anfühlte, so klar war er im Kopf, auch wenn sich am Gefühl einer comicartigen Übersteigerung nichts geändert hatte. Aber die Animation verhielt sich an diesem Ort diszipliniert und klassisch, bei aller kleingeschriebenen Modernität, die hier wirkte. Die Gäste saßen in denselben Möbeln, die wohl auch als Ware angeboten wurden, so daß man sie den Leuten quasi unter dem Hintern hätte wegkaufen müssen. Das Buchangebot war in lockerem Nebeneinander ausgestellt und erinnerte an eine engagierte, liebevolle Kleintierzucht. Man durfte auch streicheln, wenn man nicht kaufen wollte. Und man durfte sich einfach einen freien Platz suchen und was zum trinken bestellen. Genau das tat Red nun auch, nachdem er niemanden mit einem olivgrünen Overall hatte entdecken können. Er bestellte Kaffee, weil das ja wohl der beste Grund war, freiwillig in diese Stadt zu kommen. Auf diese Weise genoß Red nicht nur einen tatsächlich ausgezeichneten, in einer jukeboxartigen Faema-E61-Espressomaschine zubereiteten »Neapolitana« – der angeblich irgendwie prämiert worden war, was wiederum gut zum Charakter der Kleintierzucht paßte –, sondern vor allem erlag Red für einen Moment lang eben jenem Gefühl der Freiwilligkeit. Vergaß also kurz, daß er von Palle Swedenborg in diese Stadt strafversetzt worden war, um … ja, um Koordinaten zu folgen, die gar nicht hierhergehörten.
    Während Red an der Veredelung von Wiener Leitungswasser nippte und somit doch noch Opfer der gängigen Alchemie wurde, bewegte sich ein Mann an ihm vorbei und stellte sich an die Theke. Over all olive!
    Das mußte er sein. Er sprach kurz mit einer Frau, dann nahm er in der Nähe der Bar Platz, so daß Red ihn gut betrachten konnte. Er sah genau so dunkel und bärtig und vollhaarig und verjazzt aus, wie die Servierdame im Kaiserin Elisabeth ihn beschrieben hatte.
    »Entschuldigen Sie, sind Sie Herr Zötl?« spann Red einen stimmlichen Bogen hinüber zu dem Mann.
    Welcher diesen Bogen mit einem mißmutigen Blick quittierte und fragte, wer das wissen wolle.
    Statt zu antworten, drückte sich Red aus seinem bodennahen Sitzmöbel heraus, zog die Werbeschrift aus seiner Hosentasche, entfaltete sie und legte sie vor Zötl auf den Tisch.
    »Man hat mir gesagt, Sie wüßten, wo ich dieses Geschäft finde.«
    »Hier steht doch, wo Sie es finden«, erklärte Zötl und tippte mit dem Finger auf die Folge von Graden und Minuten und Sekunden.
    »Na, da stellt sich dann die Frage, ob ich hier in Wien oder im Südatlantik bin.«
    »Das kommt drauf an.«
    »Worauf kommt es an?« wollte Red wissen und beugte sich ein wenig vor, um Zötl besser in die Augen sehen zu können. Nicht, weil der so schöne Augen hatte.
    »Na, ob Sie von der Welt oder von Wien ausgehen«, sagte Zötl. »Beziehungsweise, ob Sie Wien für die Welt halten oder nicht. Wenn Sie das nämlich tun, und das tun bei uns eine Menge Leute, müssen Sie natürlich das Gradnetz der Erde auf die Wienkarte übertragen, mit Nullmeridian und Äquator, mit den 90 Grad nach Norden und Süden und den 180 Grad nach Osten und Westen. Und dann ist es ja eigentlich nicht mehr so schwer, sich vorzustellen, daß ein kleiner Buchladen 3 Grad und 21 Minuten und 10 Sekunden östlich von der Greenwichlinie

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