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Batmans Schoenheit

Batmans Schoenheit

Titel: Batmans Schoenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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etwas Gegenteiliges verwandeln, auch wenn nichts dergleichen geschah. Der dicke Chauffeur wurde keineswegs zum dreiköpfigen Dämon und die am Horizont auftauchende Stadt sah zwar aus wie eine recht lieblos hingeworfene Skizze, mutierte aber nicht zur grotesken Utopie. Dennoch empfand Red die Möglichkeit einer jederzeit eintretenden Metamorphose. Da war kein Verlaß darauf, daß das Normale normal blieb, weil eben auch das Normale nur eine Laune darstellte, eine Möglichkeit von vielen.
    Im ersten Moment hatte ihm dieses Gefühl einen Schwindel bereitet, aber noch während der Fahrt gewöhnte Red sich daran. Und gelangte zu der Anschauung, daß es besser sein würde, den Umstand des Zeichentrickhaften als »gewöhnlich« hinzunehmen. Vielleicht gehörte das einfach zu Wien dazu und war gar nicht so schlimm.
    Vielleicht sind Knollenblätterpilze gar nicht giftig und wir bilden uns das nur ein, wenn wir daran sterben.
    Es war ausgesprochen heiß für Ende Mai. Und es muß gesagt werden, daß jenes von Red so stark empfundene Potential willkürlicher und rapider Veränderung für das Wetter nicht gelten konnte. Selbiges Wetter hockte viel zu massiv auf dieser Stadt, durchaus wie die Wiener sagen, eine Frau mit einem sehr großen Arsch sitze auf dem kleinen Kopf eines kleinen Mannes. Obgleich nun Wien nicht eigentlich klein war, so eben doch sehr viel schmächtiger als diese enorme weiberhafte Hitze, die noch eine ganze Weile hier verbleiben würde.
    Der Chauffeur steuerte in die Innenstadt hinein, den ersten Bezirk, dieses mit modernen Geschäften und modernen Menschen besetzte historische Ensemble. Der Wagen fuhr so lange, bis es einfach nicht mehr weiterging, bis die Welt nur noch eine Fußgängerzone war und die Macht der Automobile ein Ende hatte. Dieses Ende, diese zentrale Grenze, hieß an dieser Stelle Weihburggasse. Und dort, wo der Wagen hielt, lag ein Hotel, dessen Name nun doch eher wie ein Witz klang: Kaiserin Elisabeth . Aber so viel wußte Red bereits von Wien, daß man hier keine Witze machte, sondern sie lebte. Es existierten keine Parodien, wie denn auch? Man kann aus einem Tintenfisch sowenig ein Tintenfaß machen wie man einen Ton vertonen kann.
    »Was soll ich hier?« erkundigte sich Red.
    »Ihr Hotel«, sagte der Chauffeur und hielt Red die Autotüre auf.
    »Hat man Ihnen denn nichts für mich mitgegeben?« fragte Red, während er sich aus dem Fond herausdrückte.
    »Nein«, sagte der Mann weniger Worte, ging um den Wagen herum, stieg ein, wendete nicht ohne Geschick und verschwand sodann im Gewirr kleiner und kleinster Gassen.
    Klar, es blieb Red nichts anderes übrig, als den Empfang des Hotels zu betreten, ein in Weiß und Kardinalrot gehaltenes, leicht beblümtes und sehr helles Entree. Zwei Herren in Portiersuniform begrüßten ihn mit einem würdevollen Lächeln. Mag gut sein, daß, wären sie Zahnärzte gewesen, sie mit demselben Lächeln einen Wurzelheber zur Hand genommen hätten, aber sie waren eben keine Zahnärzte, zumindest nicht in diesem Moment. Statt dessen erkundigte sich der eine nach Reds Namen.
    »Red«, sagte Red.
    »O ja, Mr. Red.«
    »Nein, Herr Red.«
    »Selbstverständlich«, sagte der Portier mit jenem ironischen Zwinkern, welches bekundete, daß selbstredend immer das Personal die Fehler mache.
    Der Portier schaute auf einen Computerbildschirm und meinte sodann: »Zimmer 211, ein Doppelzimmer.«
    »Ich bin alleine«, erklärte Red.
    »Es wurde ein Doppelzimmer bestellt, Herr Red.«
    »Na, ist ja auch egal.«
    Der andere Portier griff in ein Fach, aus dem er die Schlüsselkarte zog, sowie ein Kuvert, welches er nicht ohne bedeutungsvolle Geste an Red überreichte. Kuverts am Empfang waren stets Zeichen einer gewissen Außerordentlichkeit, wie dies heutzutage auch für den Erhalt richtiger Briefe mit richtigen Briefmarken und Stempeln galt. Der unwichtige Mensch erhielt Tonnen von Mails, die in jeder Hinsicht gar nichts wogen, aber ein Brief besaß die Aura des Schönen wie Schrecklichen, echter Niederlage oder echten Triumphs. Ein Brief versprach den Tod oder das Leben, eine Mail versprach in der Regel das Nichts (aber sicher kein Nichts, das etwas mit dem Tod gemein hatte, sondern ein plumpes, leeres, ödes, ein todloses Nichts).
    Red nahm Karte und Kuvert und ließ sich einen schönen Aufenthalt wünschen. Im Gehen begriffen, wandte er sich zu den zwei Angestellten um und fragte, für wie lange sein Zimmer eigentlich gebucht worden sei.
    Einer der Portiers sah nach:

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