Bator, Joanna
Gardine
beiseitenahm und nach draußen lugte, malte sie sich eine Tochter mit diesem
schönen Namen aus, eine kleine Isaura, die in der Tiefe ihres Bauches lag und
an ihrem Fingerchen saugte. Klein wie eine Kohlroulade. Töchterchen Isaura
würde aussehen, als bestünde sie aus einem guten Dutzend rosiger Einzelteile
ganz ohne Kanten, man könnte sie mit den Händen formen wie Teig. Die Wülstchen
ihres Babyspecks würde Jadzia mit einem auf ein Streichholz gespießten Wattebausch
reinigen, danach würde sie ihr weiße und rosa Kleider anziehen, mit Rüschen.
Die schwankenden Grundfesten von Jadzias Träumen schwemmt die Flut einer
verspäteten Monatsblutung davon, und die romantische Schwärmerei wird gefaltet
ins Regal gelegt, gleich neben den schwarzen Spitzenbody, der zum Wegwerfen zu
schade ist. Vielleicht kann Dominika ihn brauchen, wenn sie heiratet. Jadzias
Verzweiflung wegen Gutek Balcerzak währte nicht lange, denn das war etwas, was
nie hätte passieren dürfen. Jadzia schätzte nur das, was sie nie gehabt hatte,
denn was sie hatte bekommen können, das konnte ja nicht mehr viel wert sein.
Und dann hat dich der Alltag wieder, verwehet ist die große Liebe, summte sie
vor sich hin und genoss dabei das Gefühl von Traurigkeit, das ein wenig brannte
wie eine Spülung mit Essigwasser.
Sie schüttelte
die letzten Reste der Liebhaberin Jadzia ab, und sie rieselten wie bröckelnder
Putz, unter dem die sich aufopfernde Mutter Jadzia ihres Triumphes harrte. In
ihre Ausgehuniform gezwängt - ein von Modesta Cwiek geschneidertes dunkelrosa
Kostüm -, fuhr Jadzia zu Onkel Kazimierz, um als Mutter, die an die Zukunft
ihrer Tochter denkt, mit ihm zu sprechen. Sie wollte nichts mehr in Rubriken
eintragen, denn ihre Augen wurden immer schlechter, und außerdem genierte sie
sich vor den Frauen, die bei Krasnalex, inzwischen zum Damenbindengroßhandel
umfunktioniert, arbeiteten und von ihrer Romanze mit Gutek Balcerzak wussten.
Sie genierte sich, dass sie sich so hatte hinreißen lassen! Wie konnte sie ihnen
in die Augen sehen? Doch sie brauchte eine Arbeit, und bei ihrem letzten Besuch
bei Onkel Kazimierz hatte sie gesehen, dass es eine Aufgabe gab, die auf sie
wartete und ihr die Möglichkeit geben würde, sich zu bewähren. Tante Basia war
von ihrer Krankheit nicht genesen. Ganz im Gegenteil, sie hatte sich
irgendwohin verzogen, wo das Schimpfen ihres Mannes sie gar nicht erreichte und
sie ihn unter leisem, aber irgendwie boshaftem Summen aus leeren Äuglein
anschaute. Das Haus verwahrlost, Kakerlaken wie russische Panzer, der
Kühlschrank verschimmelt, und die sang, verfickt noch mal! Kazimierz brachte
seine Frau nach Stronie Slaskie, aber sie wurde aus dem Irrenhaus wieder nach
Hause geschickt, denn abgesehen davon, dass sie schlecht sah und immer kleiner
wurde, fehlte ihr nichts, und sie war schwer zu beaufsichtigen, selbst wenn man
sie mit Relanium spickte wie ein Weihnachtshuhn. Also kehrte sie zurück in das
einstmals deutsche Haus, und wieder wirbelte sie herum wie ein Kreisel, huschte
Kazimierz zwischen den Beinen hindurch und schlängelte sich unter dem Bett her,
während ihm nur Leere in den Fäusten blieb und ein paar Haare dünn wie
Spinnweb. Er brauchte nur eine Tür oder ein Fenster angelehnt zu lassen, und
schon war sie entwischt. Man musste in dem verwilderten Garten herumkriechen,
unter den Klettenblättern nachsehen, die Hundehütte abklopfen, wo im letzten
Winter der Hund erfroren war, durch den Kurpark rennen, wo man sie manchmal
beim Füttern der Schwäne fand. Als Jadzia kam, machte Basia zwar Tee und servierte
einen Teller mit ranzigen Keksen, doch gleich darauf war sie unter dem Tisch
verschwunden, wo sie alle Augenblicke Jadzias nackten Fuß ergriff und
kitzelte. Mit einem Blick sah Jadzia das verklebte Wachstuch, die verdreckten
Fensterscheiben, den schimmligen Kühlschrank und die Mumien der Topfpflanzen.
Sie schaute unter den Tisch, wo Basia saß, ihr schartig zulächelte und
gleichsam einvernehmlich zwinkerte.
Ein Mensch von
deinem Stand und deiner Stellung! seufzte Jadzia und traf mit ihren Worten den
Onkel ins Herz. Nach kurzem Nachdenken übertrug Kazimierz Maslak Jadzia die
Sorge für das verwahrloste Königreich seiner Küche, in der seine Frau Barbara
nicht mehr herrschen konnte, vom Backen eines Kuchens oder dem Klopfen von
Rouladen mal ganz zu schweigen. Er selbst hatte jetzt Wichtiges zu tun, vor ihm
eröffneten sich Perspektiven, und Jadzia war ein Geschenk des Himmels.
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