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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
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dass sein kleiner Wuchs und
seine Kegelform sich nach der Größe und Gestalt der anderen um ihn herum bemaß,
und nach dem Tod seiner Brüder ließ er sich nur noch mit Jüngeren ein. Er
bemerkte, dass man Dümmere leicht reinlegen, sie ohne weiteres um ein paar
Glasmurmeln, ein Stück Zucker oder einen Gummi für die Schleuder prellen oder
ihnen weismachen konnte, dass sie doch die größere Hälfte bekommen hatten, was
man ja mit bloßem Auge sehen konnte. Er entdeckte an sich das von der Mutter
ererbte Talent zum Hamstern und Verdoppeln von Beständen und von den Brüdern
die Neigung zum Geschäftemachen. Er tauschte mit den kleinen Gorgöls Ware und
ging mit den mageren Zwillingen aus Kocierzowa an die Pelcznica; die beiden
hoben für ein Brötchen mit Butter die schmutzigen Kleidchen hoch und zeigten
ihm ihre identischen unbehaarten Muschis mit blauen Äderchen unter der dünnen
Haut, die aussahen wie neugeborene Mäuse. Das machte sich für den kleinen
Kazio bezahlt, er lernte daraus, dass alles seinen Preis hat, und von dieser
Lehre sollte er im Krieg profitieren.
    Der Krieg steckte Kazimierz in
eine Uniform mit zu langen Ärmeln und Hosenbeinen, er wiederum steckte sich
Stroh in die Stiefel und fuhr mit den anderen in dem längsten Zug davon, der
jemals in Zalesie Station gemacht hatte. Überall hielt er sich hinten, aber nie
ganz am Schluss, er war stets bemüht, Vorderseite, Hintern und Seiten
gleichzeitig zu schützen. Die Kugeln, die sechs seiner Altersgenossen aus
Zalesie hinmähten, pfiffen hoch über seinen Kopf hinweg. Mal wand er sich
heraus, mal kaufte er sich frei, dann verschwand er im Wald, wo er bis zum
Kriegsende blieb, um dann tatsächlich als Held hervorzutreten. Bei den
Partisanen hieß es, Kazimierz Maslak bringe Glück, weil er wie kein Zweiter den
richtigen Zeitpunkt für einen Besuch im Dorf zu treffen verstehe. Er
verschwand nachts und kam mit einem Sack voll Wurst, Gläsern mit eingelegten
Pilzen und ein paar Goldringen zurück, die er im Astloch einer alten Eiche
versteckte, wovon außer ihm niemand wusste. Kazimierz dachte an eine Familie,
an die Vermählung mit einem Mädchen, das klein und dünn war wie die Zwillinge
aus Kocierzowa, die nicht in Frage kamen, weil sie verdorben waren und keine
Mitgift hatten. Kazimierz sah zwar aus wie ein Kegel, aber er war geschickt und
gewieft, er konnte schlüpfen und hurtig springen, wenn es sein musste, er
packte einen dicken Ast, zog sich hoch und, rittlings auf einer Astgabel
sitzend, stopfte er seine Schätze ins weiche, morsche Innere des Baumes. Woher
diese Juden bloß soviel Gold haben! Ungläubig und bewundernd schüttelte er den
Kopf, dafür muss man schlau sein, für so ein goldblitzendes Bätzchen, dazu noch
mit Edelsteinen. Für ihn bestand der Krieg darin, dass die einen den anderen
etwas wegnehmen wollten, und beim Gewinnen ging es darum, dass man hinter dem
Rücken der einen wie der anderen profitierte. Kazimierz hätte nie hergegeben,
was sein war, die umgeschmiedete Sense würde er packen und Türken, Tataren
oder gleich welche Kosaken metzeln, dass sie es nie vergessen würden, mit dem
Säbel drauf auf die Kappe, die Beine unterm Arsch weggeschlagen. Er biss in die
Münzen, Medaillons, Armbänder und Ringe, um sich zu vergewissern, dass sie
auch echt waren, dann sprang er hinunter und lief leise wie ein Fuchs zu seinen
Leuten. Er empfand weder Mitleid noch Angst, nur ein großes Bedürfnis zu
besitzen, und die Gewissheit, dass er, um besitzen zu können, überleben
musste.
    Bei den Deutschen handelte er mit
Wodka und nahm Gold von den Juden, von denen, die aus Lodz hinausgeschmuggelt,
in Skierniewice nicht erschlagen und in Warschau nicht verbrannt worden waren.
An verabredeten Stellen im Wald traf er sich mit dunklen Gestalten, halb
durchsichtig wie Schatten, die jemand bis dorthin geführt hatte und die er nun
weiterführen sollte, um sie nach ein paar Kilometern in andere Hände zu
übergeben, und mit seiner kleinen Kartoffelnase erschnüffelte er den Geruch von
Tod, den ihr Haar und ihre Kleidung verströmten. Manchmal sprach er sich auch
mit anderen ab, je nachdem, was sich mehr lohnte, und die Schatten irrten dann
so lange durch den Wald, dass sie vor Hunger und Erschöpfung irgendwo für
immer einschliefen, nachdem ihnen die Ringe der Mutter schon aus den Taschen
gezogen worden waren. Nun ja, so war es eben, aber er, Kazimierz nahm ja nicht
nur das Gold an sich, sondern auch kein geringes Risiko auf sich. Er tat

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