Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
Vom Netzwerk:
unersättlich,
seufzt Jadzia, wenn sie sich seinen morgendlichen Liebkosungen entzieht oder
ihm noch ein paar Kartoffeln auflegt, noch einen Löffel Blutwurst, schwarz und
rauh wie die Kruste auf einem aufgeschürften Kinderknie. Stefans Magen ist groß
wie der eines Wiederkäuers und droht nach jedem Mittagessen mit einer
Kartoffelpüree-Explosion.
     
    ***
     
    Nach einem Kegel mit Schnurrbart
musst du Ausschau halten. Bei der Beschreibung des Onkels zeigte Zofia mit der
Hand in Brusthöhe, wie groß er war. Kazimierz Maslak war knapp ein Meter
sechzig, doch dank seiner Kegelförmigkeit war es ihm möglich, behende emporzuschnellen.
    Solange er denken konnte, hatte er
dank seiner Kleinwüchsigkeit Katastrophen aus dem Weg gehen können, die
anderen den Tod, ihm aber Vorteile brachten. Bis zum siebten Lebensjahr war er
der jüngste und missratenste von drei Brüdern, die anderen beiden waren groß,
wendig und schnell. Er stellte sich auf die Zehenspitzen und machte
Riesenschritte, doch er konnte nicht mithalten, sie niemals einholen. Der kaum
ein Jahr ältere Wtedek überragte ihn um einen ganzen Kopf, und mit Wacek, dem
Ältesten, hätte er nicht einmal wagen können sich zu messen. Sie aßen ihm vor
der Nase den Nudelteig weg, den Mutter Maslak auf Kuchenblechen trocknete, sie
schlichen sich davon, sprangen ihm über den Kopf, trompeteten ihm ins Ohr:
Kegelchen! und weg waren sie wieder. Kazimierz begriff schnell, dass man
investieren muss, um zu gewinnen, und sobald die Brüder die Bereitschaft
verrieten, ihn an einem Spiel teilnehmen zu lassen, war er zu einem
Tauschhandel bereit. Auf einen Baum zu klettern und ein Storchennest
auszuheben, von den Eisenbahngleisen einen Hundekadaver herbeizuschleppen, den
sie als Köder für die Aale haben wollten, das setzte sich in klingende Münze
um. Er hatte die Taschen voll davon, aber es war nicht immer genug. Eines Wintermorgens
lief er hinter den flinkfüßigen Brüdern her bis zur Eiche an der Wegkreuzung,
doch dann hängten sie ihn ab. Er keuchte in sauren Atemdampfwolken, zwei
Rotztropfen, grün wie Anemonenknospen, leuchteten ihm an der Nase, doch die
beiden rutschten schon auf bloßen Füßen die Böschung zur Pelcznica hinab. Er
hörte, wie sie lachend über den schlammigen Abhang hinunterschlitterten, mit
den Fersen die weiche Erde pflügten, in der es von erwachenden Würmern
wimmelte, glücklich waren sie, ihn abgehängt zu haben, unerträglich in diesem
gegen ihn gerichteten Glück. Der Frühling brach an, das Eis barst, die Fische
trieben so groß und träge vorbei, dass man sie mit bloßen Händen aus dem
Eisloch ziehen konnte. Ein paar Meter vom Ufer waren sie entfernt, im Sommer
wären sie hingeschwommen, aber so rutschten sie unters Eis, und erst im April
fand man ihre Leichen bei der alten Mühle. In jedem der beiden Brüder von
Kazimierz Maslak knäuelte sich ein Schwarm Aale, die durch die Augen und Mundhöhlen
entwischten.
    So wurde Kazimierz kurz vor seinem
achten Geburtstag zum Einzelkind, und all das, was sonst auf drei Söhne aufgeteilt
worden wäre, fiel jetzt ihm zu. Der alte Maslak verschrieb sich in seinem
Kummer dem Trunk, doch Mutter Maslak begrub nicht die Liebe zu den beiden
Ältesten, auch wenn sie ihnen nichts mehr nützen konnte, sondern bewahrte sie
für den Übriggebliebenen auf. Bei ihr verkam nichts, was noch gut oder auch nur
halbwegs essbar war. Gab es keine besseren Pilze, sammelte sie die gelben und
dunkelroten Täublinge, war kein Fleisch da, machte sie Frikadellen aus
geriebenem Altbrot, waren die Größeren ertrunken, liebte sie eben den
Kleineren, der noch am Leben war. Mutter Maslak konnte alles einwecken, trocknen,
vergraben für später. Das Vergraben und Horten von Dingen war ihr vielleicht
ein Ersatz für den Wunsch, selbst unter der Erde zu verschwinden, wenn ihr der
alte besoffene Maslak mal wieder eins auf den Schädel gab, weil er ihr die
Schuld am Tod der Söhne zuschob. Wenn sie die Flasche mit Kornblumenschnaps
verkorkte, die mindestens ein halbes Jahr unter der Erde liegen muss, mag sie
davon geträumt haben, sich durch den Flaschenhals zu zwängen und sich drinnen
mit angezogenen Knien zusammenzurollen, und die Erde würde auf sie fallen, und
es würde immer geborgener und dunkler.
    Unbehelligt von jeglicher
Konkurrenz zu Hause wurde Kazimierz kräftiger und selbstsicherer. Er wurde
nicht viel größer, doch auf den Hüften sammelte sich Speck, und die Ellbogen
hielt er weiter vom Körper entfernt. Er begriff,

Weitere Kostenlose Bücher