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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
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trinken, so hat sie immer gesagt. Sie
war sehr zart. Und wenn der Herbst kam, dann gingen sie Pilze sammeln, denn
ringsum gab es nichts als Wälder und Unmengen von Pilzen. Nachts hörte man sie
wachsen schuschuschuu. Von den Pilzen ist mir der Reizker am liebsten. Sie
gingen und sammelten Pilze, da waren so viele, dass man sie hätte mit der Sense
mähen können, und danach haben wir sie auf dem Herd in der Küche gebraten.
Uroma und Tante Teofila auch? Aber natürlich, sie haben die Ärmel
hochgekrempelt und auch Pilze gebraten. Und der Opa nicht? Ach was, was hat
denn ein Bursche in der Küche zu suchen! Der Uropa und Onkel Franek sind jagen
gegangen, guck hier, hier sind sie mit dem Schießgewehr. Aber er hat doch keine
Tiere totgeschossen? Ach woher denn, natürlich nicht. Und das Rehlein, das da
liegt, ist das nicht totgeschossen? Es ist ausgestopft, nicht totgeschossen,
wer wird denn ein Rehlein totschießen! Und das Mädchen mit der weißen
Schleife, warum ist es so bleich, warum verschwindet es? An der Schwindsucht
ist es gestorben, noch vor Ostern, und das andere Mädchen hat sich die Augen
ausgeweint, nichts wollte es essen, bis es so dünn war, dass der Wind es
davongetragen hat. Und da konnte man gar nichts gar nichts machen? Nein, gar
nichts. Und wo ist jetzt das tote Mädchen? Ein Grabmal hat es mit einem Engel
drauf, im Ausland, ein Engel, der so groß ist wie du, ganz vergoldet. Der Uropa
und die Uroma sind jeden Dienstag mit einem frischen Blumenstrauß an das Grab
gegangen. Der Uropa und die Uroma Chmura? Ja, der Uropa Chmura, wo hat den Sohn
gehabt Wladzio. Und Wladzio hat Stefcio bekommen und Stefcio dich. Und du bist
jetzt Dominika Chmura, die Urenkelin. Urenkelin Dominika Chmura, sagt das Kind
ihr nach. Aber ich seh gar nicht so aus wie sie. Ach, ob du so aussiehst wie
sie oder nicht, das ist doch egal, sagt Haiina wegwerfend, sie ist erschrocken
über diese plötzliche Entdeckung des Kindes. Die Uroma ist blond auf den
Fotos, o wie blond sind ihre Haare, wie eine Prinzessin, aber weißt du was -
als sie klein war, hat sie auch so ausgesehen wie ein kleines Zigeunerchen, so
wie du. Erst hinterher ist sie blond geworden. Mit Kamille hat sie das Haar
gespült, Milch hat sie getrunken, in der Sonne ist sie spazieren gegangen, und
als sie geheiratet hat, da war keiner mehr draufgekommen, dass das nicht immer
so war. De domo war sie Großherr und verheiratete Chmura. In einem Kleid bis
zum Boden hat sie getanzt, dass die Funken stoben. De domo? Das ist
französisch, parlevu franzo, die Mücke sticht dich in den Po! Was haben sie da
gelacht, uhahaha, aber wie!
    Haiina war eingefallen, dass es so
auf den Grabsteinen steht: de domo. Das heißt, nicht auf allen, nicht auf denen
aus Terrazzo, wie sie ihn ihrem toten Mann hat setzen lassen, aber auf den
größeren, alten, auf denen mit Engeln und Marmor, mir eleganten Toten drin, wie
dem aus dem Zug, in eleganten Särgen liegen sie da unten drin. Was schon dieser
Terrazzo gekostet hat, ein Vermögen, deshalb hat sie nachgedacht und
nachgerechnet und sich für ein Doppelgrab entschieden, was billiger kommt, als
wenn man hinterher ein zweites bestellt. Links von Wladek wartet ein freier
Platz auf sie. Der Stein ist auch schon fertig mit der Aufschrift Haiina Chmura
geb. Czeladz, geb. 1921 - gest. Das Datum kommt erst später.
    War es die Oma oder die Enkelin,
die zuerst auf die Idee kam, die leeren Seiten im Album der Alten aus dem Zug
zu ergänzen? Das erste Bild, das sie einklebten, zeigte Wladyslaw Chmura mit
schiefer Krawatte und aufgesetztem Lächeln, es war noch drüben gemacht, bei
Ludek Borowic, dem billigsten Fotografen der Gegend. Gleich darauf war die
ganze Familie auf seiner Beerdigung verewigt, weiß betüpfelt mit Schneeflocken,
denn zwischen Vertreibung und Tod hatte Wladek keine Gelegenheit gehabt, sich
fotografieren zu lassen, höchstens war er vielleicht zufällig auf
Hochzeitsfotos im Teczowa zu sehen. Dann kamen ein paar überbelichtete
Aufnahmen von Jadzias und Stefans Trauung, erst im Standesamt, dann in der
Kirche, wo sich die Hand von Hochwürden Postronek, vom Rest des Körpers
abgeschnitten, zwischen den beiden hob wie zu einem Karateschlag. Bald darauf
Jadzia und Stefan in schlampert-trautem Eheglück. An einem See in schlecht
sitzenden Badeanzügen, verwackelt am Heiligabendtisch mit Haiina und
schließlich grünstichig auf einem Farbfoto vom Silvesterball im Bergmannshaus,
beim Zuprosten mit sowjetischem Sekt, zwischen Konfetti

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