Bator, Joanna

Sinn nicht nach Scherzen stand oder er zu viel getrunken
hatte, schimpfte er: Du kannst mich mal kreuzweise, und warf sich ungewaschen
aufs Bett. Seine benutzte weiße Unterhose hing auf der Sessellehne, bereit für
den nächsten Tag und ein Beweis dafür, dass, wie er sagte, Männer trocken und
sauber sind und Frauen feucht und fischig. Dann war Jadzia beleidigt und legte
sich zu Dominika ins Zimmer, lassmichdochinRuhedubekotzterSäufer, zischte sie
vor sich hin, GehdochundumarmdasKlo, und mit schaukelnden Brüsten schritt sie
durch den Flur, der die beiden Zimmer voneinander trennte. Jadzia ist keine
unwissende Frau mehr, sie hat Erfahrung im Umgang mit Stefan und ist sich ihrer
Macht immer mehr bewusst. Es ist eine Macht voller Ingrimm, nicht Wut, eine stechend-zerrende
Macht, ihre Waffen sind Besen und Wischtuch. Die Küchenkönigin verjagt mit dem
Besen, haut das Wischtuch über den Kopf, wenn ihr ein Untergebener in die Hände
fällt. Vor Ingrimm ballt die Herrscherin die Hände, dass die Adern
hervortreten, jeden Tag wird sie für diesen Kerl, der so widerlich ist, ans
Kreuz geschlagen. Diese Kerle würden an Dreck und Hunger sterben, wenn sie sich
selbst überlassen wären, einer nach dem anderen. Tölpel, Schluckspechte und
Bettler sind das, alle miteinander. Alle sollten sie zum Umgewöhnen nach
Czarny Bor geschickt werden. Wutschnaubend legt sich Jadzia auf Dominikas
schmale Couch, und von dem Gewicht der Mutter rollt das magere Körperchen, das
einst aus ihr herausgewachsen ist, direkt in ihren Bauch. Schlaf schlaf, sagt
sie beruhigend zu ihrer Tochter und denkt törichterweise, wie wenig Platz sie
jetzt zusammen hätten, wenn die andere überlebt hätte.
     
    ***
     
    Zweiunddreißig Kinder gehen in
Dominikas Klasse, siebzehn Mädchen und fünfzehn Jungen, und diese fehlende
Symmetrie hat zur Folge, dass eine Schülerin und ein Schüler jeweils ohne
Banknachbar gleichen Geschlechts bleiben müssen. Die weiblichen Paare sitzen
auf der linken Seite der Klasse, die männlichen auf der rechten, am Fenster.
Mädchen zu Mädchen und Jungen zu Jungen, was aber nicht heißen soll, dass sie
sich zu nahe kommen dürfen. Angeblich kommt die Chemie nur zwischen den
Gegensätzen zum Tragen. In der Natur ist es auch so, zum Beispiel zwischen
Bienen, Primeln und Pantoffeltierchen, wie die Biologielehrerin behauptet.
Wenn die Biologie menschlicher Wesen an die Reihe kommt, werden die Jungen und
Mädchen getrennt unterrichtet, sie haben getrennte Biologien, deshalb ist es
besser, wenn sie nicht allzu viel voneinander wissen. Der Unterschied, der zwischen
ihnen besteht, lässt sich am besten aus der Ferne betrachten.
    Auch für die Anziehung der
Gegensätze wird die Stunde kommen - alles zu seiner Zeit. Vorläufig sollen die
auf gegenseitige Anziehung programmierten Mechanismen im Ruhezustand verharren.
Sie werden aus dem Lesebuch lernen, auf den kleinen Bildchen ist Mamas
Küchenwelt von Papas Arbeitswelt genauso getrennt wie zu Hause. Papa geht, Mama
bleibt, und sie steht, wenn Papa nach Hause kommt, noch genauso da, als wäre
sie an den PVC-Boden genagelt. Wenn man näher hinguckt, sieht man die
Nagelköpfchen, die auf ihren Füßen und Händen leicht vorstehen. Auf Papa warten
Mama, Mittagessen und Sessel, in dem er Zeitung liest. Mamas Arbeit außer Haus
wird nicht gezeigt, weil sie nicht zählt. Ala hilft Mama in der Küche, Alek
klebt ein Modellflugzeug zusammen, in dem wird er Ala vielleicht mal spazieren
fliegen, wenn sie brav ist.
    Zwischen der Mädchenseite und der
Jungenseite ist der Platz für die Lehrerin, Magister Demon, Helena, die Macht
hat und verlangt, dass alles nach ihrem Plan abläuft. Den Schülern legt sie
Zaumzeug und Geschirr an, die Zügel hat die Lehrerin in der Hand, sie hat auch
einen Stock. Da gibt es kein Vorwärtsstürmen und Zur-Seite-Springen, wer Krach
macht, kriegt Krach. Magister Demon schaut Dominika an, Dominikas Größe und
ihre nach allen Seiten abstehenden kaffeeschwarzen Haare gehen ihr gegen den
Strich. Dieses Gesicht will Schwierigkeiten machen, und es wird welche
bekommen. Dominika, die größte unter ihren Altersgenossinnen in der 1c, wird
in die letzte Reihe gesetzt, neben einen Jungen. Chmura? Achtung, da kommt Frau
Chmura! [Chmura - deutsch: Wolke] ,
aufpassen, dass wir nicht nass werden! scherzt Frau Lehrerin und lässt den
Stock sausen, es lachen nur die, die gerade nicht getroffen werden. Magister
Demon kann den Namen eines Jungen nicht aussprechen, was ihre