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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
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begehrt! rief Stefan und imitierte ein
Pferdewiehern: wihi-hihiiii! Das Schaukelpferd stürmte aus dem Eingangstor vom
Babel, setzte mit einem Sprung über den vollgeschissenen Blumentopf, hopp-hopp
galoppierte es über die Dächer der kleinen Fiats auf dem Parkplatz und stiftete
gleich darauf Durcheinander, wenn es am Babel entlanglaufend in Schwung kam.
Es stieß sich an Piaskowa Göra ab, die Hufe schlugen Funken, der Wind zauste
die Mähne und Dominikas wildes Haar, schon flogen sie hoch über Walbrzych, das
Mädchen und das Schaukelpferd, vor dem Hintergrund der Fördertürme, über einen
Himmel, den Chemikalienschmutz in Regenbogenfarben tauchte. Sie kämpften sich
durch ein Gewitter über den Bergen, wo die Kugelblitze wie Bälle über Swidnica
und Swiebodzice hüpften, über der schönen Stadt Breslau, über
Hinter-den-sieben-Bergen und Hinter-den-sieben-Meeren, bis sie auf den
Bula-Bula-Inseln landeten.
    Doch Stefan verwandelte sich nicht
immer in ein Schaukelpferd. Manchmal hatte er ganz fremde Augen, und die Hände
zitterten ihm, er warf mit Schimpfworten um sich und ging auf einen Wodka ins
Teczowa, ließ Dominika unter den Augen der nach Essig riechenden Rachegöttin
zurück, die Blasen aus Spülmittel aufsteigen ließ und der Kamillenshampoo aus
den Nasenlöchern schäumte. Jadzia erwachte aus schrecklichen Träumen, in denen
sie mit der Zunge die klebrigen Sohlen abgelaufener Schuhe berühren musste,
Schleim vom Gehsteig leckte, den Arm bis über den Ellbogen in das Abflussrohr
unter der Spüle steckte oder festgeschnallt auf dem Entbindungbett lag und in
einem Meer aus Blut und Scheiße driftete. Soviel Dreck! Ihr Körper voller
Ritzen und Einbuchtungen, der Körper, der dauernd etwas ausstieß, das feuchte
Spuren in den Schlüpfern und in den Achseln der Ärmel hinterließ. Sie hatte das
Gefühl, als ströme aus ihr die Feuchtigkeit, die auf der Nordwand ihrer Wohnung
als giftiger Pilz ausblühte, aus ihr kam der Schimmel auf dem Brot, so übel und
leichenhaft, der Schmand zwischen den Kacheln und in den Poren ihrer Nase. Sie
beschnüffelte den Bimsstein, warf Schwämme in den Müll, schüttete Essig in die
Abflüsse und stach die Blasen in der Esszimmertapete auf, bis sie mit
Dominikas Hilfe alle geglättet und aus ihnen den nur für ihre Augen sichtbaren
Schmutz herausgedrückt hatte. Systematisch nahm sie sich eine senkrechte Bahn
nach der anderen vor, stieg auf den Schemel, stieg ab vom Schemel. Von oben
nach unten strich sie über den Streifen violetter Pvhomben und grünlicher Kreise,
stach eine Nadel in jede Aufwerfung und glättete sie mit spiritusgetränkter
Watte wie eine Kosmetikerin das pickelige Gesicht eines Backfischs. Mit
Adleraugen stieß sie auf eine Aufwölbung hinab, stich sie aus! befahl sie, und
das Mädchen stieß in Nachahmung der mütterlichen Gesten die Nadel in
unsichtbare Blasen. Jadzia glaubte daran, dass das, was stank oder stach,
Bakterien wirksamer tötete als entsprechende Mittel, die nicht stanken und
nicht stachen. Essig und kochendes Wasser zur äußeren Anwendung, Knoblauch zur
inneren bei Erkältungen oder vorbeugend. Keine Tablette war so wirksam wie eine
zerdrückte Zehe, die man solange im Mund behielt, wie es ging, damit sie alles
im Inneren wegätzte.
    Seit Dominika bei ihnen wohnte,
hatte Jadzias Kampf mit dem Schmutz eine neue Dimension bekommen. Bakterien,
Millionen neuer Bakterien, mit denen sie kämpfen musste, zogen mit dem Kind
zusammen ein und stellten gleichzeitig eine drohende Gefahr für es dar. Jadzia
betrachtete jeden Teil von Dominikas Körper als einen potenziellen
Epidemieherd. Das ganze Kind war eine tickende Zeitbombe. Am Abend war Jadzia
vollkommen erschöpft, umgeben von glatten, glänzenden Flächen, dem Geruch von
Desinfektionsmitteln, Kamillenshampoo und Essig. Kurze Zeit erschien ihr die
Welt dann fast vollkommen. Sie hielt Dominika in den Armen, gut eingeweicht in
duftendem Fichtennadelbad, im frischen Schlafanzug, die Haare mit einem Shampoo
ausgewaschen, das etwas in den Augen brannte. Mein blitzsauberes Töchterchen,
sagte sie und atmete tief den Duft der dichten geringelten Haare des Kindes
ein, das mit den Augen blinzelte wie ein benebeltes Kaninchen.
    Stefan fügte sich Jadzias
Reinlichkeitsleidenschaft, aber nur zum Scherz, er machte sich lustig, bleckte
seine geschrubbten Zähne, hauchte ihr den lauwarmen Dunst des in Verdauung
befindlichen Mittagessens ins Gesicht und fragte: Na, Jadzia, wie bei Hauptmann
Kloss? Wenn ihm der

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