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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
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gekochten Farbe und Geschmack
behalten hat, sie schneidet das selbstgebackene Brot in dicke Scheiben, die sie
den Kindern in die Taschen stopft, wenn sie zum Spielen nach draußen rennen.
Sie fliehen vor Dimitris jüngeren Geschwistern; der kleine Georgi gibt die Jagd
bald auf, doch Sofia, die nur zwei Jahre jünger ist als sie und sich in die
Form eines braven Mädchens so wenig einpassen lässt wie Quecksilber in ein
überheiztes Thermometer, ist eine wachsende Herausforderung. Plötzlich springt
sie hinter dem Bett oder einem Busch hervor wie ein silbriges Kügelchen, und
sie müssen größere Schritte machen, sich von Indianern aus Büchern inspirieren
lassen, Pläne austüfteln.
    Auf der anderen Seite der
Breslauer Straße befindet sich ein Becken mit tiefschwarzem Grubenwasser. Im
Winter friert der kleine See auch im ärgsten Frost nicht zu und glänzt im
Schnee wie ein großes schwarzes Auge. Alle nennen das Wasser den Kleinen See,
denn in Walbrzych gibt man den Dingen zufällige Namen, als wären sie nur für
eine begrenzte Zeit, nichts da von Sacvoyage und Leguminen - das ist der Kleine
See, in dem keiner schwimmt oder angelt, aber er eignet sich zum Ersäufen
kleiner Hunde oder Katzen. Ganz in der Nähe des Schilds mit der Aufschrift:
»Zutritt Strengstens verboten. Zuwiderhandlung wird strafrechtlich verfolgt«
kriechen Dominika und Dimitri durch ein Loch im Maschendrahtzaun. Um den
Kleinen See wächst Unkraut, aus denen verrostete Schrottteile ragen, das Wasser
glänzt ölig und riecht wie Asphalt nach einem Sommergewitter. Ein grauer, mit
Asche durchsetzter Sandstreifen bildet einen gleichmäßig breiten Ring um das
Becken. Ein Steg schiebt sich in das schwarze Wasserauge, an dessen Ende die
Reste des Metallgerüsts rosten. Das ist der Wachturm, den Dominika und Dimitri
wendig wie die Affen der Bula-Bula-Inseln erklimmen. Im Sommer steigen Dämpfe
aus dem Wasser auf, von denen ihnen schwindlig wird und sich dicker, saurer
Speichel im Mund sammelt, den sie um die Wette ins Wasser spucken, wer kann am
weitesten. Am Boden des Kleinen Sees wohnt die Spinnennixe, sie isst Menschenfleisch,
bei lebendigem Leib nagt sie es ab und saugt das Mark aus, bis nur noch leere
Knochen, Ringlein, Uhren und Metallspangen übrig sind, der Boden des Beckens
ist übersät damit. Sie mag nur frische, lebende Nahrung, sie ist gefräßig, aber
wählerisch. Die in Säcken ersäuften Kätzchen und Hunde sind nur ein Häppchen
für die Nixe, davon wird sie erst recht hungrig. Wenn die Kinder auf dem
Wachturm sitzen, sieht sie die beiden und leckt sich die Lippen. Doch selbst
wenn es Dominika und Dimitri gelingen sollte, Helena Demon hierher zu schaffen,
die würde sogar der Nixe schwer im Magen liegen. Die Nixe würde schreckliche
Verdauungsstörungen kriegen und riesige Fürze lassen. Sie würde Blähungen
kriegen! Die tägliche Nahrung für die Spinnennixe beschafft ein schwarzer
Wolga, der nachts durch die Straßen von Watbrzych fährt, viele haben ihn schon
gesehen und sind um ein Haar dem Tode entronnen. Mirek Tutka aus ihrer Klasse
ist von dem Wolga durch ganz Szczawienko gejagt worden, er hat sogar den
Schulranzen dabei verloren, das konnte er beschwören. Zwei Nonnen fahren den
Wolga, ihre Gesichter sind bleich, als hätten sie nie das Sonnenlicht gesehen.
Sie haben flinke Eulenaugen, die im Dunkeln sehen. Wenn sie ein einsames Kind
mit einem Schlüssel um den Hals erspähen, verschwindet es wie ein Stein im
Wasser. Sie zerren es in den schwarzen Wolga und stecken es in einen schwarzen
Sack, rasen zum schwarzen Kleinen See, und nach dem Festmahl der Spinnennixe
bleibt von dem Kind nur ein ganz weißer Leichnam übrig. Und du, was würdest du
dann machen? Dominika und Dimitri spazieren am Rand des giftigen Wassers
entlang und denken sich verschiedene Methoden aus, wie man der Spinnennixe
beikommen könnte. Dimitri meint, am besten hätte man immer ein Taschenmesser
oder eine Granate dabei, Dominika ist für Hinterlist, man müsste sich tot
stellen. Die Augen schließen, den Atem anhalten, daliegen wie eine Leiche.
Hinter dem Teich kriechen sie durch ein weiteres Loch im Maschendraht und
schlagen sich auf einem schmalen Pfad durch hohes Unkraut. Man muss gut
aufpassen, wohin man tritt, denn dort geht es zu den Halden der Glashütte.
Bald darauf sieht man nichts als Funkeln und Glänzen, bis zum Himmel türmen
sich die Berge aus Glas. Eisdiamanten, Rubine wie angelutschte Bonbons, Topase
aus den russischen Ringen,

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