Bator, Joanna
limonadefarben wie Brausepulver in kleinen Beuteln.
Die Sonne bricht sich in unzähligen kleinen Regenbogen. Hier liegen Glasscherben
mit scharfen Rändern, an denen man sich blutig schneiden kann, Kugeln voll
erstarrter Blasen und kleine Quadrate, die sich glatt wie Butterstückchen
anfühlen. Die mit Brillanten bestreuten Pfade führen direkt zu Palästen, in
denen selbst Tante Großherr mit ihren Koffern voller Ballkleider leben könnte.
Rubintreppen führen hinauf, Topastreppen hinab. Dimitri baut eine Maschine, mit
deren Hilfe er auf den Mond fliegen kann, er sammelt gleichgroße Stücke, legt
aus ihnen eine Startbahn und nimmt mit zum Flug ausgebreiteten Armen Anlauf. Dominika
sagt, Prinzessinnen fliegen nicht in Flugzeugen, sie haben richtige
Weltraumraketen, und sie jagt ihm auf ihren Spinnenbeinen hinterher. Sie
suchen Schätze. Dominika hat ein Diadem im Haar, sie ist die Prinzessin vom
Glasberg, den die zwölf Brüder zu erklimmen versuchen, sie hat Zähne wie
Perlen, einen Ring an jedem Finger und Ohrringe. Jetzt würde sogar Jagienka
Pasiak in der Schule neben ihr sitzen wollen. Sie betrachten die Glasbrocken
gegen das Licht und packen die schönsten Exemplare in ihre Brotbeutel. Jedes
Mal finden sie etwas Besonderes, und es bleibt immer noch genug fürs nächste
Mal. Danach klettern sie auf die Halde, Kohlenstaub wirbelt auf, während sie
sich an den schmächtigen Birken weiterhangeln. Auf dem Gipfel stehen noch die
Reste eines Metallgerüsts und eine an Stahlseilen baumelnde Lore, die hier nach
dem Aufschütten der Halde zurückgeblieben ist. In der Lore verstecken sie ihre
Sammlung gläserner Schätze. Sie sind Piraten, Indianer oder Janosik und seine
Bande. Sie bauen Fallen für die Feinde, die bis in ihr Versteck vordringen, so
etwas kann vorkommen! Sie graben Gruben, pinkeln, spucken, werfen scharfe Glassplitter
hinein und decken dann Stöcke darüber, tarnen das Ganze mit Laub. Dann klettern
sie in die Lore und beobachten den Birkenhain. Dimitri hat ein kleines
Fernglas, sein Vater hat ihm gesagt, dass es Lornjong heißt. Lorn-jong.
Wenn doch nur Magister Demon mit
ihrem geliebten Pinscher hier spazieren gehen würde, wenn sie doch nur etwas
oben auf der Halde zu tun hätte. Wenn sie sehen könnten, wie sie in die Falle
ginge, würde sie das für die Schläge mit dem Lineal auf Hände und Hintern
entschädigen, für das Eckenstehen, das Kichern, das durch die Klasse lief,
wenn sie die beiden ermahnte, wenn sie donnernd fragte, die Herrschaften in
der letzten Bank, was hat man sich da dauernd psspsspss ins Öhrchen zu
flüstern? Was gibt's Neues da oben bei Fräulein Chmura, ein kleiner Regen aus
der großen Wolke? Doch Magister Demon hat nie das Bedürfnis, auf die Halde zu
steigen, ebenso wenig wie es ihr je in den Sinn kommt, ihre Strafen könnten
ungerecht sein, denn unter Gerechtigkeit versteht sie, dass sie zurückgibt, was
sie selbst bekommen hat. Sie hat noch einen großen Vorrat, der reicht für alle.
Wenn man Magister Demon röntgen würde, sähe man in ihr ein kleines Mädchen,
mausgroß, mit einem sehr alten Gesicht, zusammengerollt wie ein Embryo und
versteinert. In ihren Träumen stehen andere Mädchen um sie herum, sie tragen
alle graue Kleidchen mit weißen Kragen, Zöpfe, asch graue Strümpfe, und wie Asche sind auch ihre lachenden Gesichter, mit
den Fingern zeigen sie auf die Gestalt in der Mitte des Kreises, die ein
Pappschild umhängen hat, auf dem steht: Helusia Demon ist eine Diebin. Sie hat
diesen Ring mit dem grünen Stein nicht genommen! Sie hat ihn angeschaut, aber
nicht genommen. Jemand hat ihn ihr in die Tasche gesteckt! Er ist von selbst in
die Kitteltasche gefallen! Abends scharen sich die Mädchen um Helusias Bett
und singen: Demon, Demon, Teufelssterz, wir schlagen dir einen Pfahl ins Herz!
Ein Schmerz durchfährt Magister Helena Demon, die solche Träume meistens auf
die Leber schiebt und Gallentabletten nimmt. Der Heilige Geist empfiehlt, die
Kinderchen mit dem Rosenkranz zu schlagen, aber das rät er nur, weil er nicht
weiß, wie gut sich das Lineal dafür eignet. Sollen sie sich alle miteinander
freuen, dass sie ihr nicht die Hand küssen und für die Mühe mit der Erziehung
danken müssen, so wie sie es im Waisenhaus der Anbetenden des heiligsten Blutes
Jesu tun musste. In der Klasse reicht es Magister Demon, wenn ein Kind
Entschuldigung und Danke sagt, aber nicht bloß so geflüstert, nein, nein. Laut
und deutlich, Fräulein Chmura: ENTSCHULDIGUNG! Wie diese
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