BattleTech 04: Das Schwert und der Dolch
ich noch ein kleiner Kerl war und er so viel älter, größer und kräftiger, war er immer geduldig, sogar sanft — für einen Jungen —, wenn es mich betraf. Er hat mir nie das Gefühl gegeben, daß ich lästig sei, obwohl es bestimmt häufig genug der Fall war.«
»Was habt ihr zusammen erlebt? Als Jungen?« Melissa saß mit gekreuzten Beinen auf dem Teppich und blickte mit den funkelnden Augen eines Kindes zu ihm auf. Ardan sah sie ernst an.
»Wir gingen auf Fischfang und harpunierten Wale, die sich in Stichlinge verwandelten, wenn wir nach Hause kamen. Wir fingen Grasvögel für die Farmer, damit sie nicht die Getreidefelder verwüsteten. Wir pflückten Obst von den Bäumen meines Vaters, und wir halfen auch der Familie, die sich um Hanse kümmerte, bei der Arbeit. Hanses Vater hielt nichts davon, einen Prinz so aufzuziehen, daß er sich einbildete, mehr wert zu sein als die einfachen Menschen.«
»Wie meine Mutter!« rief Melissa.
»Ganz ähnlich«, bestätigte Ardan. »Wir sind mit dem Boot den Fluß hinunter gesegelt... beinahe wären wir ertrunken. Heute ist mir klar, daß die Fischer, die zur Stelle waren, um uns aus dem Wasser zu ziehen, in Wahrheit aufpaßten, daß der jüngere Sohn ihres Herrschers das Ende seiner Kindheit auch erlebte. Und das war ein Glück. Sonst hätte es nach Ians Tod der schmierige Michael geschafft, an die Macht zu kommen. Hanses Schwester ist keine Katrina. Sie ist leicht zu beeinflussen.«
»Und als er fortging ... in die Ausbildung zum MechKrieger ... hast du ihn vermißt?«
»Fürchterlich. Wenn mein Vater mir nicht versprochen hätte, daß ich auch gehen dürfte, sobald ich alt genug war, wäre ich möglicherweise vor Sehnsucht eingegangen. Wie ein Hund, den sein Herrchen verlassen hat.«
Melissa stützte ihr Kinn auf beide Fäuste. »Ich habe gehört, daß Hanse ein brillanter Krieger ist, mutig und erfindungsreich. Bist du je mit ihm in die Schlacht gezogen? Als du alt genug warst?«
»Nur einmal, kurz bevor sein Bruder ums Leben kam. Ich war noch jung. Gerade mit der Ausbildung fertig. Hanse pflegte sich persönlich um mein Training zu kümmern, wenn er Zeit und Gelegenheit hatte. Wir griffen eine feindliche Stellung von zwei Seiten an. Ich war auf der linken Flanke, er war mit einem Kriegshammer in der mittleren Schlachtreihe auf der rechten.« Vor seinem inneren Auge konnte Ardan die Schlacht noch immer vor sich sehen. Die Erinnerung ließ ihm warm werden.
»Wir hatten es mit einer Mecheinheit zu tun, verstärkt durch Infanterie mit Handwaffen und kampfbereiten Panzern. Es war die letzte feindliche Befestigung auf dem Planeten, und wir mußten sie vertreiben.
Ihre Stellung war in eine Steilwand mit einem schweren Granitüberhang gegraben. Der Sandstein darunter war von irgendeinem Fluß oder Meer in grauer Vorzeit ausgewaschen worden. Eine unmögliche Position. Wir hatten schwere Verluste, weil wir dichtgedrängt gegen den einzigen Eingang stürmen mußten, und das bedeutete, sie konnten uns voll mit ihren Geschützen eindecken.«
Melissa saß aufrecht, und hörte mit geweiteten Augen zu.
»Als Hanse durch unsere Linien kam, gab er uns das Zeichen, zurückzufallen. Als wir ihm gehorchten, marschierte er geradewegs auf dieses Tor zur Hölle los und feuerte mit allem, was er hatte. Dann stand er einfach da, von allen Seiten unter Beschuß, mit allen Waffen, die man sich nur vorstellen kann, und seine PPKs hämmerten auf den Sandsteinpfeiler am Rand des Eingangs ein.«
»Was passierte dann?« drängte Melissa, als er eine Pause machte, um Atem zu holen.
»Hanse muß sich gefühlt haben wie ein Ei in der Pfanne — sein Mech wurde von Minute zu Minute heißer. Aber er feuerte immer weiter, bis das Granitdach über der feindlichen Stellung einstürzte — Männer, Mechs, Panzer, alles wurde darunter begraben. Wir haben sie später ausgebuddelt, aber nur ein paar hatten es überlebt. Wir haben Mechs und Ersatzteile erbeutet, die wir heute noch benutzen.« Er dachte an seinen ruinierten Victor und seufzte.
»Ein mutiger Mann. Und ein origineller Denker... das gefällt mir. Ich glaube nicht, daß ich mit jemandem glücklich werden könnte, der immer streng nach den Regeln lebt.«
Ardan lachte. »Das kann man Hanse wirklich nicht vorwerfen! Wenn es sein muß, schreibt er sich neue Regeln, und er denkt gar nicht daran, sich auf Methoden zu beschränken, die schon erprobt sind.«
»Wir waren nur ein einzigesmal längere Zeit zusammen, und da war er sehr nett zu mir. Wir hatten uns
Weitere Kostenlose Bücher