BattleTech 08: Woelfe an der Grenze
setzen. Der große, massige Mann ging dann die Längsseite des Tisches entlang und blieb mit über der Brust verschränkten Armen neben Wolf stehen. Er schien willens und zufrieden damit, die Vorgänge von dieser Warte aus zu beobachten.
Minobu ließ sich auf dem leeren Stuhl nieder und legte ein Telegramm vor sich auf den Tisch. Er machte keine Anstalten, den Umschlag zu öffnen oder ihn an einen der Dragoner neben sich weiterzureichen. »Der Kriegsherr hat mir einen Bericht über die Aktion auf Udibi im vergangenen Monat geschickt.«
Minobu wartete auf eine Reaktion oder eine Erklärung von Wolf, aber es kam keine. Eine ungemütliche Stille trat ein. Er versuchte es noch einmal. »Der Kriegsherr bezichtigt Wolfs Dragoner darin des ungenehmigten Eindringens in Feindesraum. Als Reaktion darauf hat er beim Büro des Koordinators den förmlichen Vorwurf der Insubordination erhoben und zu Protokoll gegeben.«
»Nicht des Verrats?« fragte Colonel Korscht.
»Nein. Verrat ist für Söldner unmöglich.«
»Aber genau das meint er doch, oder?« fuhr Korscht fort.
»Ich bin in die Gedankengänge des Kriegsherrn nicht eingeweiht, Colonel. Es ist durchaus möglich. Auf jeden Fall ist die Beschuldigung ernst.« Minobus Augen schweiften über die Gesichter der anderen Offiziere. »Der Kriegsherr hat noch eine ganze Reihe anderer Anschuldigungen zu Protokoll gegeben, zu denen nicht zuletzt auch Vertragsbruch zählt.«
Das löste ein Protestgemurmel aus, wie Minobu vorausgesehen hatte. Wie Akuma es ebenfalls vorausgesehen haben mußte. Minobu fragte sich, ob der frühere Schwertoffizier ihn absichtlich zum Überbringer dieser Nachricht auserkoren hatte, um damit zu erreichen, daß sich die Feindseligkeit der Dragoner auf Minobu konzentrierte, anstatt auf ihn. Es gab nichts, was Minobu dagegen tun konnte. Der Kriegsherr hatte ihm befohlen, bei diesem Auftrag den Posten des VBS-Offiziers zu übernehmen, und er konnte diesen Befehl nicht verweigern.
»Die Dragoner haben nichts unternommen, das gegen den strikten Wortlaut unseres Vertrags mit dem Draconis-Kombinat verstößt«, sagte Wolf.
Minobu hatte gehofft, sein Freund würde die Beschuldigung dementieren und Beweise vorlegen, die sein Dementi unterstützten. Statt dessen ließen Wolfs Worte Minobu nicht darüber im Zweifel, daß die Dragoner den Überfall auf Udibi durchgeführt hatten, genau wie Samsonow gemeldet hatte. Die mit Bedacht gewählte Formulierung bedeutete, daß Wolf sich auf wortklauberische Auslegungen des Vertragstextes verließ. Die Vorgehensweise eines Krämers, nicht die eines Samurai. »Dann bestreiten die Dragoner nicht, daß sie einen Überfall auf den Planeten Udibi im Gebiet der Vereinigten Sonnen unternommen haben?«
»Als Kommandant der Dragoner werde ich weder etwas zugeben noch etwas bestreiten, bis ich die Anschuldigungen im einzelnen gelesen habe.«
»Nun gut, Colonel Wolf.«
Minobu glaubte angesichts der förmlichen Anrede ein Aufblitzen von Kummer in Wolfs Augen gesehen zu haben, aber er war nicht sicher. Wolf saß heute als Befehlshaber seiner Truppen vor ihm, nicht als Minobus Freund. Es hatte ein Band zwischen ihnen gegeben, aber es war starken Belastungen unterworfen gewesen und jetzt vielleicht zerrissen. Um dessentwillen, was einmal gewesen war, fühlte sich Minobu dazu verpflichtet, etwas zu sagen.
»Die Formulierung von Kriegsherr Samsonows Bericht über das Udibi-Unternehmen zeigt, daß er wütend ist. Er hat es nicht gern, wenn man ihn in eine peinliche Lage bringt. Was ihn anbelangt, so spricht Ihr Erfolg in diesem Falle gegen Sie. Inoffiziell ist mir außerdem berichtet worden, er habe geschworen, die Dragoner zu vernichten, falls sie Haus Kurita die Treue brechen sollten. Unabhängig von Ihrer Ergebenheit dem Kombinat gegenüber scheint er der Auffassung zu sein, Ihr Unternehmen habe seine Ehre verletzt. Ein beschämter Mann könnte durchaus drastische Schritte unternehmen. Selbst dann, wenn derartige Schritte nicht in seinem besten Interesse liegen, kann ihn die Schmach dahin und noch weiter treiben.«
Nachdem Minobu geendet hatte, saß Wolf einen Moment lang schweigend da. Er verschränkte die Finger ineinander und löste und verschränkte sie dann wieder im Wechsel. Noch immer auf seine Hände schauend, fragte er: »Willst du damit sagen, daß er uns auf jeden Fall vernichten will?«
»Ich bin nicht sicher, was er tun wird.« Minobu holte tief Luft. »Er hat mich gewarnt. Er wird den Kopf jedes Draconiers fordern, der Wolfs
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