BattleTech 24: Auge um Auge
günstige Berichterstattung zu bekommen«, setzte Raven hinzu.
»Was – was ist mit Vater Garcia?« Der Jesuit hatte mit der Zeit einige EMT-Kurse absolviert und war unterwegs, um die Ruinen des Wohnkomplexes zu durchkämmen und sich dort um Überlebende des Terroristenangriffs und der CGC-›Rettungsaktion‹ zu kümmern. Es lag ein gewisses Spannungspotential darin, einen katholischen Priester auf den Straßen einer Stadt im Kombinat frei herumlaufen zu lassen, wo Christentum mit Ausnahme des Rasalhaagschen Lutheranismus offiziell verboten war. Aber Vater Bob war nicht unbedingt der Typ, der bekehren mußte, und er trug in der Regel einen schwarzen Rollkragenpullover statt des Priesterkragens – und es war überhaupt davon auszugehen, daß niemand allzu versessen darauf sein würde, sich mit einem Mann anzulegen, der fünfzig freundliche BattleMechs in Rufweite hatte.
»Er hat mir nachspioniert, nicht?«
»Er versuchte nur, Ärger von dir fernzuhalten, Vetter«, sagte der neue Kapitän Ames.
»Er mag dich wirklich«, sagte Raven. »Du bist für ihn eine erfrischende Neuerung – ein wirklich lebender, irgendwie kultivierter VCBursche, im Gegensatz zu uns struppigen, provinziellen Kojoten, mit denen er leben muß.«
Archie verzog das Gesicht. Er hatte auch nicht mehr geschlafen als die Söldner, also gar nicht, und selbst anderthalb Bier zeigten bei ihm Wirkung, wenn seine Abwehrkräfte so geschwächt waren. Er stand auf und schwankte leicht.
»Ihr alle wart im Umgang mit mir ziemlich unaufrichtig«, sagte er.
»He, Arch, jetzt mußt du doch nicht vor all den Damen ausfällig werden«, sagte Cowboy. »Sierra Foxtrot, es ist ja nicht so, daß wir dich loswerden wollen.
Davion könnte diesmal jemand auf uns ansetzen, den wir nicht so leicht entdecken.«
Kali MacDougall senkte die Stirn auf die Tischplatte.
Westin funkelte Cowboy wild an und stampfte hinaus.
Cowboy blinzelte seinen Kameraden zu.
»Was habe ich gesagt? Was habe ich gesagt?« Raven stützte ihr spitzes Kinn in die Hände und sah ihn bewundernd an. »Cowboy«, sagte sie, »bist du von Natur aus so ein großer Schwachkopf oder mußtest du dafür auf die Schule gehen?«
26
Imperial City, Luthien
Distrikt Pesht, Draconis-Kombinat
16. Oktober 3056
Der alte Mann saß in seinem Garten im Rollstuhl, das Licht von Luthiens Sonne übergoß ihn durch die Zweige der jungen Pflaumenbäume mit willkommener Wärme, und er empfand ein Gefühl, das ihm in all seinen langen Lebensjahren fast fremd geworden war, während er den dünnen Streifen Papier mit einer leberfleckigen Hand umklammerte: Angst um sich selbst.
Er fürchtete auch in gewisser Weise um das Kombinat. Wenn Chandrasekhar sich wirklich mit den Clans eingelassen hatte, waren die Folgen fast unabsehbar. Sollte aber das Wissen, daß ein Mitglied der Familie des Koordinators des Verrats im kosmischen Maßstab verdächtig war, öffentlich werden, konnten die Ergebnisse vielleicht sogar noch schlimmer sein.
Aber das war eine vertraute Furcht. Subhash Indrahar hatte den Großteil seiner fast neunzig Lebensjahre dem Dienst am Kombinat gewidmet. Seine Loyalität zum Hause Kurita überstieg sogar noch seine Loyalität zu einem einzelnen Kurita, wie sein alter Freund Takashi hatte erfahren müssen, als Subhash und sein Adoptivsohn versucht hatten, ihn zu töten. Die meisten seiner Leidenschaften waren dem Drachen vorbehalten.
Aber jetzt… konnte er die Regungen rein selbstsüchtiger Furcht in seiner eingesunkenen Brust nicht unterdrücken.
Selbst sie galt gewissermaßen dem Drachen, zumindest sagte er sich das. Sein Körper war einst der eines Athleten gewesen, geschmeidig und stark. Aber er hatte seine Kraft überlebt. In den letzten Jahren hatte nur die reine unbezähmbare Willenskraft ihn am Leben gehalten.
Ja, er hatte Angst. Er hatte Angst vor den Clans. Er hatte Angst vor dem Chaos, das nach einer flüchtigen Phase der Einheit angesichts des von jenseits der Peripherie einfallenden Ungetüms in der Inneren Sphäre auszubrechen drohte. Er hatte Angst, daß die Saat der Anarchie im Draconis-Kombinat vielleicht schon gesät war. Theodores Liberalisierung war von reiner Notwendigkeit erzwungen worden. Das Kombinat hatte fast keine Ressourcen mehr, und seine Versuche, das Leben seiner Bürger immer umfassender zu reglementieren, hatten begonnen, die Entropie zu steigern, nicht sie umzukehren. Doch Subhash wußte nicht, ob die Reformen den Verfallsprozeß aufhalten oder ihn beschleunigen würden.
Aber eines
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