BattleTech 24: Auge um Auge
fleischigen Orchideenblüten umgaben sie wie vielfarbige, in der Zeit eingefrorene Explosionen. Onkel Chandy stopfte Torfmoos in einen Topf unter einer orangefarbenen und schwarzen Blüte, wandte sich Cassie zu und lächelte.
»Natürlich wird er das«, sagte er und sah aus wie Buddha in einer Gärtnerschürze. »Die Frage ist, was tun wir dagegen?«
»Die Initiative ergreifen«, sagte Cassie.
Onkel Chandy lachte. »Deine Anmaßung ist wirklich wunderbar, Mädchen. Ninyu Kerai gegenüber die Initiative zu ergreifen, ist, als versuche man, einem verhungernden Banth frisches Fleisch wegzunehmen.«
Im bekannten Raum gab es zwei Dutzend Tierarten namens Banth. Sie alle waren Raubtiere.
Cassie warf den Kopf zurück und schüttelte sich so eine lose Haarsträhne aus den Augen. »Entweder das, oder passiv auf das Messer warten«, sagte sie.
Onkel Chandy hatte eine Schaufel aufgenommen. Er drehte sich um, stand da und sah sie mit seinen dicklidrigen Amphibienaugen an, wobei er das Werkzeug in den Händen drehte. Cassie ging ein Risiko ein, indem sie ihn belehrte, und sie wußte es.
Er lächelte. »Du bist weise, meine Tochter«, sagte er. »Zumindest in deinen Wahrnehmungen, wenn auch nicht immer in deinem Verhalten.«
»Ihr habt jede Menge Leute, die Euch erzählen, was Ihr hören wollt.«
Er lachte schallend. »Es ist wirklich erstaunlich, wie oft der Preis für kompetente Hilfe Unverschämtheit ist«, sagte er. »Wie gut für uns alle, daß ich – im Gegensatz zu so vielen von meinesgleichen – durchaus gewillt bin, einen solchen Preis zu zahlen. Wie viele wertvolle Ressourcen würden ansonsten verschwendet.«
Er betonte das Wort verschwendet auf eine bestimmte Weise. Cassie weigerte sich zu zittern.
Er wandte sich wieder seinen Pflanzen zu. »Was ist mit der Daisy Belle?« fragte sie.
»Die Leute des Mirza kümmern sich darum. Sie ist im Augenblick nebensächlich.«
»Die Clanner…«
»Stellen wohl keine so unmittelbare Bedrohung dar wie Ninyu Kerai Indrahar, hm?«
Cassie biß sich auf die Lippe. Sie nickte.
»Ich habe eine bestimmte Aufgabe für dich im Sinn«, sagte er und griff nach einem Gestell über seinem Kopf. »Das heißt, wenn du das mit der Initiative wirklich ernst meinst.«
»Meine Straßenkontakte…«
»Werden nicht ausreichen. Welche Chance haben wir, Ninyu langfristig zu schlagen?«
Cassie hielt inne und berechnete Überlebenschancen. Ihre eigenen, um die schwer verkraftbare Wahrheit zu sagen. Die Risiken, nach denen sich Onkel Chandy erkundigte, bedurften keiner Berechnung.
»Langfristig keine.«
Onkel Chandy nahm einen Topf herunter, aus dem eine extravagante grüne, orangefarbene und purpurne Blüte hing. »Diese Art wurde im späten achtundzwanzigsten Jahrhundert von Filbert Fujimori entwickelt, der später hingerichtet wurde«, sagte er. »Hatte allerdings nichts mit Gartenbau zu tun. Er schrieb einen skurrilen Haiku über Koordinator Jinjiro – natürlich verständlich, aber nicht klug. Diese Orchidee war mir immer besonders lieb. Ich weiß nicht, warum. Sie zeugt von wahrhaft schrecklichem Geschmack. Vielleicht habe ich einen Hang zum Perversen.«
Er stellte sie sorgsam auf einen langen Tisch mit Metallmaschenplatte und machte sich daran, die schrille Pflanze umzutopfen. »Wir müssen dafür sorgen«, sagte er, »daß Ninyu Kerai das Interesse an uns verliert. Du kannst dir den Einwand, daß das nicht leicht sein wird, ersparen. Solange er lebt, wird er uns verfolgen, und sollte er sterben, wird ihn sein Adoptivvater sicher rächen.«
Cassie wandte sich ab. Sie wollte nicht, daß Onkel Chandy den Glanz der Verzweiflungstränen in ihren Augen sah.
»Was also können wir tun?« fragte sie, und die Worte erstickten sie fast. Sie gab ihre Machtlosigkeit zu – und zwar angesichts ihres neuen Alptraums, des rothaarigen Mannes. Es war das Schmerzlichste, woran sie sich erinnern konnte, seit Patsy gestorben war.
»Unsere Unschuld demonstrieren.«
»Ich dachte, so etwas wäre der ISA scheißegal.«
»Die ISA leitet die Schuld aus der Tatsache eines bestehenden Verdachtes ab. Nicht dasselbe, überhaupt nicht dasselbe. Weder der Lächelnde noch seine anmaßenden Handlanger arbeiten absichtsgelenkt. Wenn wir ihm den wahren Schuldigen zeigen können, wird er seinen Zorn von uns abwenden.«
Cassie lehnte sich zurück an ein Regal. »Und wer ist der wahre Schuldige?«
»Tanadi«, sagte Onkle Chandy. »Wer sonst könnte es sein?«
Jemand, der skrupellos genug ist, eine Landungsschiffs-Besatzung
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