BattleTech 24: Auge um Auge
Bewegungen flossen wie Öl, wenn er nicht gerade volle Pulle rannte. Sein Name bedeutete ›Aal‹ und stand auch für das dünne, weiche Seil, das Fassadenkletterer bevorzugen. Genau das war er gewesen, ehe die Freundlichen Berater ihn geschnappt hatten. Er und Usagi hatten eine Zelle auf Galedon V geteilt, während sie ihre ›Pflicht‹ taten.
»Sie werden von einer Frau angeführt«, keuchte Unagi, »und weißt du was? Sie fährt Fahrrad.«
In der Ferne waren auf der Yoguchi-Kurita-Straße die hochragenden, schwankenden, großen BattleMechs zu sehen, die näher kamen. Die Rothaarige sah über die Schulter einen Mann an, der noch größer war als sie und ebenso breit wie sie zierlich. Ein Teil davon war Fett, ein anderer nicht. Er hatte einen rasierten Kopf, runde, jovial aussehende Wangen und trug die rotorangefarbenen Roben eines Mönchs des Ordens der Fünf Säulen.
Der große Mann trat vor, dorthin, wo Schaulustige am Rande des Gehsteigs die Hälse reckten, um besser sehen zu können. Er machte ein Geräusch wie ein Vulkan kurz vor dem Ausbruch. Die Schaulustigen drehten sich um, sahen ihn an und verdrückten sich schnell.
Die rothaarige Frau nahm ihren Platz ein, ihr Gefolge gruppierte sich um sie herum. Die Bürger wichen pflichtschuldig nach allen Seiten zurück wie Quecksilber vor einer Fingerspitze.
Der Weg war übersät von kunstvollen Girlanden aus buntem Papier – einige wurden von Bündeln heliumgefüllter Ballons in der Luft gehalten -, von Blumen aus Papier und echten Blüten, von Bannern, die die Fremden in Kanji-, Hiragana- und Katakana-Schriftzeichen willkommen hießen, die sie zweifellos nicht lesen konnten. Tänzer in traditionellen Kostümen – japanischen, chinesischen und Hindugewändern – tänzelten fast unter die Metallfüße der Mechs. Die Masakko, wie man die Bewohner der Hauptstadt Hachimans nannte, hatten sich nicht lumpen lassen.
Natürlich hatten die PR-Spezialisten von HTE einiges springen lassen, um ein stürmisches Willkommen für die Fremden zu garantieren. Aber die Begeisterung auf der Straße war durchaus echt. Lainie konnte spüren, daß sie von der Menge ausging wie Hitze von einem Papierlampion in einer Winternacht. Die Masakko liebten das Neue, und riesige Söldner-BattleMechs, die mitten durch die Stadt schritten, waren mehr als neu. Mehr noch, die Leute liebten den kleinsten Vorwand, um ein Matsuri auszurichten – ein Fest, jene einzigartige Masamorimischung, die sich aus einem Teil traditioneller Feierlichkeiten, einem Teil Straßenfest und einem Teil Aufstand zusammensetzte.
»Die Schnurrbart-Petes müssen vor Neid erblassen, wenn sie sehen, daß für einen Haufen zerlumpter Gaijin eine solche Party veranstaltet wird«, sagte Shig Hofstra, ein langer, schmaler Typ mit scharfen Zügen und einem strohblonden Haarschopf. Er hatte unter dem Verdacht gestanden, Aufwiegler zu sein und eine schwere Zeit in einer der Erholungseinrichtungen des Ministeriums für Frieden und Ordnung im Distrikt Benjamin zugebracht – wenn sie gewußt hätten, daß er ein Aufwiegler war, hätten sie ihn hingerichtet -, als die Clan-Invasion losbrach. Insgeheim hatte Theodore Kurita für all die, die sich freiwillig für an Selbstmord grenzende Missionen meldeten, die Gefängnistore geöffnet. Shig war zwar in seinem Leben noch nie in einem BattleMech gewesen, wollte aber auch nicht in Teruho verrotten, also meldete er sich sofort und unterschrieb auf der gepunkteten Linie. Nach einem Mech-Krieger-Schnellkursus von neunzig Tagen, bei dem er sich als überraschendes Naturtalent erwies, fand er sich beim Heruzu Enjeruzu wieder – dem Neunten Geisterregiment, das dem Unheil direkt in die Arme lief. »Ganz abgesehen von der Tatsache, daß es Söldner sind.«
Lainie kicherte. ›Schnurrbart-Pete‹ konnte damit jeden traditionalistischen Kurita meinen, der Probleme hatte, die Reformen des Koordinators Theodore zu schlucken. Es bezog sich besonders auf jenen höchst konservativen Teil der Kombinatsgesellschaft, die Oyabuns oder Bosse des Yakuza-Verbrechersyndikats. Wie viele der nicht zur Yakuza gehörenden Regimentsmitglieder glaubte Shig, wirklich Haß für die Außenseiten der Yakuza zu empfinden, diejenigen, die noch immer zivile Straßengauner waren.
Ihr Lächeln wurde schmaler und erstarb. Er wußte nicht, was es bedeutete, die Oyabuns zu hassen.
Lainie Shimazu schon. Sie gehörte selbst zur Yakuza.
Der Hase und der Aal hatten recht, wie sie jetzt sah. Da kam die Anführerin der Prozession.
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