BattleTech 29: Pflichtübung
Karst. »Wie konnten sie…«
Marschall Felix Zellner bedeutete dem Mann ungeduldig zu schweigen. Die HPG-Übertragung lief nur in eine Richtung und konnte nicht unterbrochen werden.
»Der Stadtkoloß ist wahrscheinlich auf dem Weg zur Wiederverwertung«, sprach Folker weiter. »Wilmarth hat kaum Ersatzteile, und außerdem wäre es selbst mit den entsprechenden Teilen und einer halbwegs brauchbaren Techmannschaft schwierig genug, den Koloß wieder in Gang zu bringen. Den Victor bekommen wir wahrscheinlich wieder hin, aber Charley hat mir erklärt, daß er zwei neue Beine, ein neues Gaussgeschütz und eine Ersatz-Gliederhauptstütze für die Endoskelettstützen des Rumpfes benötigt.«
Folker grinste trocken in die Kamera.
»Das können Sie alles auf die Materialliste für Ihren Flug hierher setzen. Der Angriff wurde von mindestens fünfzehn Kommandosoldaten ausgeführt. Sie waren schwer bewaffnet, trugen modernste Krötenpanzer und operierten in enger Kooperation mit den planetarischen Rebellen. Bisher konnten wir sie noch nicht sicher identifizieren. Sie scheinen nach dem Gefecht alle ihre Toten und Verletzten mitgenommen zu haben, und Wilmarth konnte keine Leichen sicherstellen. Aber ich bin mir so sicher wie ich ohne formelle Bestätigung nur sein kann, daß sie zur Gray Death Legion gehörten. Wie ich bereits in meinem letzten Bericht erwähnte, befindet sich Carlyles zweiter Stellvertreter ebenso hier wie sein Sohn. Ich habe sie beide gesehen, habe sogar mit ihnen gesprochen. Und besonders McCall ist bekannt für Aktionen dieser Art. Ich gebe es ungern zu, aber der Mann kann etwas.
Meiner Meinung nach wird die Situation hier allmählich ernst. Es ist den Angreifern gelungen, über achtzig Gefangene Wilmarths zu befreien – ein paar Steuerhinterzieher, aber vor allem Agitatoren und Unruhestifter, die bei verschiedenen regierungsfeindlichen Demonstrationen aufgegriffen wurden. Die Moral der Rebellen dürfte durch diesen Überfall auf Wilmarths Hauptquartier erheblich gehoben werden. Und sollten Sie gehofft haben, den Grauen Tod gegen die hiesigen Rebellen einzusetzen, würde ich sagen, dazu ist es zu spät. Er hat bereits den Kampf gegen uns aufgenommen. Diese Söldner werden ein ernstes Hindernis für Feldmarschall Gareths Pläne sein. Marschall, ich bitte dringend um volle militärische Unterstützung, um dieser Rebellion ein für allemal das Genick zu brechen. Wilmarth ist dazu nicht in der Lage, und die Mechs unter meinem Befehl werden nicht ausreichen, mit dieser Situation fertigzuwerden, erst recht nicht, seit einer meiner Victors bis zu Ihrer Ankunft hier außer Gefecht ist. Folker, Ende.«
Mit einem statischen letzten Flackern verschwamm das Hologramm und verschwand dann ganz. Zellner blieb sitzen und sah einen Moment nachdenklich auf die leere Projektionsplatte. Auf der anderen Seite des Schreibtischs rutschte Commander General Vinston Karst unbehaglich in seinem Sessel hin und her, als traue er sich nicht, das Schweigen zu brechen.
»Wir werden sofort nach Caledonia aufbrechen, General«, meinte Zellner schließlich. »Sorgen Sie dafür, daß Ihre Einheit sich binnen achtundvierzig Stunden einschiffen kann.«
»Wir können in vierundzwanzig Stunden einsatzbereit sein, Herr Marschall«, erwiderte Karst. »Meine Leute sind seit letzter Woche in Bereitschaft. Aber bei allem Respekt, Sir, ich frage mich noch immer, ob Sie wissen, was Sie da tun.«
Zellner sah Karst einen Moment mit zusammengekniffenen Augen an und fragte sich, ob er einen Fehler gemacht hatte, als er gerade diesen Offizier befördert hatte. Er war weit fähiger als sein Vorgänger, intelligenter, mehr Karrieresoldat als Politiker und weniger selbstgefällig und eigennützig als Thurman Vaughn es gewesen war. Kurz gesagt, ein ausgezeichneter Offizier, aber gerade die Qualitäten, die ihn dazu machten, erschwerten es gleichzeitig, ihn zu kontrollieren. Der Mann hatte ein Hirn, und das machte ihn potentiell gefährlich.
Sein Vorgänger, der betrauerte, verblichene Commander General Vaughn, hatte erst wenige Wochen zuvor das Zeitliche gesegnet. Nur wenige Menschen wußten, daß Vaughns Tod kein Unfall gewesen war… daß sein Privatflugzeug beim Start vom Flughafen der planetarischen Hauptstadt abgestürzt und explodiert war, weil er sich in einem Moment als unzuverlässig erwiesen hatte, in dem Gareth, Zellner und die übrigen Verschwörer der Operation Excalibur zuverlässige Leute brauchten.
»Die Jakobitenverschwörung auf Caledon«,
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