BattleTech 37: Loyal zu Liao
Wir könnten ein paar Einheiten mobilisieren und über diese Systeme ohne Widerstand hinwegfegen.«
Welche Truppen mobilisieren? Rush wußte genausogut wie Sun-Tzu, wie angespannt die Lage in den capellanischen Garnisonen war. Möglicherweise erwartete die Capellaner wirklich keine einheimische Gegenwehr bei ihrem Vorstoß in die Chaos-Marschen, aber Victor Steiner-Davion sollte man nicht unterschätzen. SteinerDavion betrachtete sich immer noch als Prinz des gesamten vormaligen Vereinigten Commonwealth, und er würde sein Anrecht auf diese Welten nicht so leicht aufgeben. Rush sah sogar ein noch größeres Problem. »Haben Sie darüber nachgedacht, welches Kriegerhaus Sie entsenden wollen? Welchem können Sie trauen?« Er sprach sehr leise, seine Frage war nur für das Ohr des Kanzlers bestimmt.
»Spielen Sie damit auf Ihren Bericht an, daß nicht alle Kriegerhäuser so loyal sind, wie ich es gerne hätte?«
Ion Rush nickte. »Ihre Mutter verlangte äußerste Loyalität von den Kriegerhäusern. Sie bewies damals in den 3030ern höchstpersönlich ihre kämpferischen Fähigkeiten, als sie sich der Canopus-Andurien-Invasion entgegenstellte. Dann baute sie die Häuser wieder auf, die im vierten Nachfolgekrieg zerschlagen wurden. Ihre Maßnahmen im letzten Jahr haben Ihnen einigen Beifall eingetragen, verehrter Kanzler, aber Sie sind eben kein Krieger.«
»So wie meine Schwester einer wird?« fragte SunTzu mit einem Anflug von Ungeduld.
Kali Liao war Rushs Meinung nach ungefestigt, aber nicht dumm. Außerdem war sie ehrgeizig, was eine größere Gefahr bedeutete. Er kannte die Narbe auf ihrer Brust, ein Überbleibsel ihrer grausamen Initiation in den Assassinenkult, dessen Mitgliedern an einem persönlichen Aufstieg um jeden Preis lag. Das sollte als Warnung dienen.
»Sie hat hart an ihren rudimentären MechPilotenfähigkeiten gearbeitet. Jetzt macht sie sich bei einigen Kriegerhäusern beliebt, indem sie sich für die Politik und die Methoden, die Ihre Mutter anzuwenden pflegte, einsetzt. Es gibt einige, die glauben, daß die Konföderation unter ihr erstarken würde.«
»Die Kriegerhäuser sind der Person des Kanzlers gegenüber loyal«, sagte Sun-Tzu so, als ob es sich dabei um eine goldene Lebensregel handelte. Nein, Sir, sind sie nicht. Ion Rush suchte einen diplomatischen Weg, Sun-Tzu zu widersprechen, vor allem, was die Loyalität seines eigenen Hauses betraf. Er fand keinen. Die Kriegerhäuser waren zwar traditionell dem Kanzler persönlich verpflichtet, aber in Wahrheit galt ihre Treue der Liao-Blutlinie und nicht einem einzelnen Mitglied der Familie. Sun-Tzus Fixierung auf die Souveränität Sarna könnte eine Gefahr für das Reich darstellen. In diesem Fall würden die Kriegerhäuser sogar offen seine jüngere Schwester Kali unterstützen. Das wäre nicht das erste Mal.
Wieder schweiften Rushs Gedanken in die Vergangenheit. Romano Liao, damals Kanzlerin, befahl die Ermordung ihrer Schwester Candace und ihres Gemahls Justin Allard. Allard war der persönliche Berater Prinz Hanse Davions. Hätte das Vereinigte Commonwealth zu dieser Zeit nicht mit der Clan-Invasion alle Hände voll zu tun gehabt, hätte Davion wahrscheinlich Romano - und auch Sian - als Strafe für ihre Unverfrorenheit vernichtet. Ion Rush konnte sich noch gut an seinen eigenen Zorn erinnern, daß Romano so leichtfertig das Schicksal der Konföderation aufs Spiel gesetzt hatte.
Candace überlebte das Attentat, ihr Ehemann aber nicht. Mit - unter anderem - Rushs Hilfe machte sie sich heimlich auf den Weg nach Sian und nahm Rache an ihrer Schwester. Als es vorüber war, lebten Romano und ihr Gatte nicht mehr, und Sun-Tzu war Kanzler. Zusammenhalt war die einzige Hoffnung der Konföderation Capella. Davon mußte der Kanzler überzeugt werden, gerade jetzt, da seine Schwester soviel Aufsehen erregte.
»Wo möchten Sie Truppen abziehen?« fragte Ion in der Hoffnung, den Kanzler von seinem Standpunkt zu überzeugen, indem er das Pferd von hinten aufzäumte. Es war ganz einfach: Die Konföderation hatte gerade soviel Truppen, um ihr jetziges Gebiet zu verteidigen, aber bei weitem nicht genug, um die Chaos-Marschen zu erobern und zu halten, selbst wenn die Souveränität Sarna nicht mehr existieren würde. Daß er sich seine eigenen Gedanken darüber machte, ob und wie diese Aufgabe zu lösen wäre, verschwieg er jetzt noch.
Enttäuschung lag auf Sun-Tzus Gesicht. Insgeheim zog er dieselben Schlüsse. »Ich finde einen Weg«, versprach er flüsternd.
Am
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