BattleTech 43: Der Kriegerprinz
Er kniff die Augen zusammen, war nahezu überzeugt, daß dort nichts war, und doch konnte er das Gefühl nicht ab- schütteln, beobachtet zu werden. Gerade als er glaubte, durch den Schatten hindurchsehen zu können, die Ecke zu erkennen, in er die Wände aneinander stießen, löste sich ein Teil der Dunkelheit und trat ins Licht.
»Komban wa, Sensei«, verneigte Victor sich. »Ich hatte mich bereits über Ihre Abwesenheit gewundert.«
Minoru Kurita erwiderte die Verbeugung. Obwohl er ein paar Zentimeter größer war als Victor, ließen seine schmächtige Statur, der etwas zu große Kopf und die dicke Brille ihn kleiner als den Prinzen wirken. Hätte jemand Victor ein Bild seines Gegenübers ge- zeigt und ihn gefragt, ob er diesen Mann in einem Zweikampf besiegen konnte, hätte er ohne jedes Zö- gern mit ja geantwortet.
Aber ein Hologramm kann die Kraft nicht vermitteln, die in diesem Körper steckt. Vor seinem ersten Besuch auf Luthien hatte Victor kaum etwas über Omis jüngeren Bruder gewußt. Die Akten des Geheimdienstsekreta- riats hatten ihn im Machtgefüge des Kombinats als Mystiker ohne Bedeutung beschrieben und abgetan. Victors Haltung Minoru gegenüber hatte sich nach sei- ner Verletzung geändert, als der junge Draconier ihn geführt und geheilt hatte. Während Victors Therapie aus T'ai-Chi-Chuan-Übungen seinen Körper stärkte, hatte Minoru sie mit Gesängen und anderen esoterischen Übungen unterstützt, um seine Lebenskraft zu stärken. Trotz anfänglicher Skepsis hatte Victor sich schneller erholt, als seine eigenen Ärzte es für möglich gehalten hatten, was Minoris Therapie ein gewisses Gewicht verlieh.
»Ich freue mich auch, Sie wiederzusehen, Victor.« Minoru lächelte andeutungsweise. »Ich war in der Nähe, wollte jedoch nicht bemerkt werden. Es ist er- freulich, daß Sie mich jetzt gesehen haben.«
»Ich habe Sie nicht gesehen. Ich fühlte mich ge- sehen.«
»Eine noch nützlichere Fähigkeit.« Der junge Kurita schob die Hände in die Ärmel seiner roten Robe. »Sie haben Ihre Übungen weiter durchgeführt. Das freut mich.«
»Ich bin froh darüber. Sie haben mich gestärkt.«
»Nein, ich habe Ihnen nur gezeigt, wie Sie Ihre vor- handene Stärke finden können.«
Victor nickte dankbar. »Ohne Ihre Hilfe hätte ich mich von meinen Wunden nicht erholt, und dafür schulde ich Ihnen Dank. Wenn es irgend etwas gibt, womit ich mich revanchieren kann ...«
»Das gibt es.«
»Sagen Sie es mir, obwohl Sie entschuldigen müssen, daß meine Möglichkeiten unter den gegebenen Um- ständen arg beschränkt sind.«
»Das, was ich von Ihnen möchte, können Sie sich lei- sten.« Minoru rückte seine Brille zurecht. »Sie haben den ilKhan mit dem Schwert getötet. Erzählen Sie mir von dem Hieb.«
»Dem Hieb?« Victors Augen wurden zu Schlitzen. Der Tod des ilKhans war das Glanzlicht der Nachricht von der Rückkehr der Einsatzgruppe gewesen, als habe dieser eine Mann alle Bösartigkeit der Clans ver- körpert - und als sei diese mit seinem Tod vernichtet worden. Victor erinnerte sich, versetzte sich in den Augenblick zurück. Er hatte lange nicht mehr an den Kampf mit Osis gedacht. Warum nicht?
Er sah auf. »Ich war in meinem Mech, und Osis for- derte mich heraus, mich ihm auf gleicher Ebene zu stellen. Er bot an, mich dem Tod vorzustellen. Ich ver- ließ den Mech und nahm mein Katana mit. Ich sagte, ich würde nicht gegen ihn kämpfen, ich wäre bereits getötet worden, sei schon einmal gestorben und wolle kein weiteres Sterben. Ich sagte ihm, daß er besiegt war, und erkannte in seinen Augen das Wissen um die Dummheit des ganzen Kreuzzugs. Nachdem er diese Einsicht hatte, flehte er mich an, ihn zu töten.«
»Und dann haben Sie es getan, um ihm einen ehren- vollen Tod zu schenken?«
Victor schüttelte den Kopf. »Nein. Er war kein Krie- ger mehr. Er hatte weder die Ehre noch irgendein Recht darauf, das zu erbitten. Obwohl er das wußte, bat er darum. Er erklärte mir, ein Krieger könne nur als Krieger leben, aber ich antwortete ihm, seine Strafe sei, als etwas anderes leben zu müssen. Dann drehte ich ihm den Rücken zu und ging zurück zu meinem Mech. Ich hörte das Scharren von Füßen auf dem Stein, sah seinen Schatten über mich fallen, aber schon vorher wußte ich, daß er mich angriff.« Victors Herz häm- merte, sein Puls raste. »Ich wirbelte herum, zog und schlug zu, ohne nachzudenken. Ich kann mich an den Hieb kaum erinnern. Ich erinnere mich an die heiße Sonne auf meinem Rücken, als ich auf
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