BattleTech 49: Gezeiten der Macht
nickte. Ihre Miene war eine vollkommen ausdruckslose Maske. »Und möglicherweise finden wir so eine Lösung für deine frühere Bitte.«
»Meine frühere Bitte?« Victor runzelte die Stirn. Er wusste, Omi spielte mit ihm, aber ihm blieb keine andere Wahl, als blindlings in ihre Falle zu tapsen.
•Habe ich um etwas gebeten?«
»Ist morgen nicht Dienstag?« fragte sie unschuldig.
Victor konnte sich einen verlegenen Blick hinüber zu Morgan und Tiaret nicht verkneifen, obwohl die beiden diese Bemerkung natürlich überhaupt nicht einzuordnen wussten. Er trat einen Schritt zurück, ignorierte die aufsteigende Wärme in seinem Nacken und brachte eine förmliche Verbeugung zustande.
»Kurita Omi-san«, erklärte er übertrieben würdevoll, »in dieser Angelegenheit glaube ich, Euch behilflich sein zu können.«
10
Landungsschiff Galedon Rose IV, Sprungschiff Aoi Shinju, am Nadirsprungpunkt des Caldrea-Systems
Präfektur Buckminster, Militärdistrikt Benjamin, Draconis-Kombinat
21. August 3062 Randal Kasagi starb auf dem Sprung von Luthien nach Avon.
Mit zwei anderen Passagieren, die beide ebenso fiktiv waren wie der Gärtner Kasagi, in eine enge Kabine an Bord eines einfachen Passagierlandungsschiffs gebucht, benötigte dessen Ableben nicht mehr als einen kurzen Ausflug in die Nasszelle, um das Kollodium aus den Augenfalten und dem Mundwinkel zu entfernen, und einen Kleiderwechsel. Eine scharfe Rasur, dann klatschte er sich reichlich billiges Rasierwasser auf die brennende Haut und etwas mehr aufs Unterhemd.
Der Attentäter entschied sich für ein Oberhemd mit breitem Kragen und drei goldene Halsketten, eine nachgemachte Franklin-Rigel-Armbanduhr und eine im Bund um eine Nummer zu enge Hose. Nachdem er, als Tüpfelchen auf dem i, noch das Haar mit reichlich Gel nach hinten gekämmt hatte, verließ ›Jerome Castro‹ die Kabine, um die engen Bars des Schiffes aufzusuchen und sich von jeder Menge weiblicher Passagiere einen wohlverdienten Korb zu holen.
Am Zenithsprungpunkt Avons sorgten ein paar Sekunden unbemerkter Arbeit an den Dateien des Schiffscomputers dafür, dass Kasagi und der dritte Passagier, Ario Nurel, auf andere Landungsschiffe am Rumpf des wespenförmigen Sprungschiffs wechselten. Der Attentäter blieb während des Transfers zu einem wartenden anderen Sprungschiff an Bord, das ihn durch Raum und Zeit ins Braunton-System riss, wo er auf ein anderes Landungsschiff und in eine Kabine mit einem weiteren fiktiven Mitreisenden umstieg ... zum nächsten Identitätswechsel.
Und so ging es weiter. Jeder Sprung trug ihn weitere dreißig Lichtjahre von der Zentralwelt des Draconis-Kombinats fort. Jede aufgegebene Identität hinterließ eine weitere falsche Spur, die seine Verfolgung erschwerte, bis er schließlich bei Terrence Gloster angekommen war, einem unbedeutenden Verwaltungsangestellten der HolovidUnterhaltungsbranche, der ihm für den Rest der Reise als Identität dienen sollte. Gloster machte es sich in seiner 2.-Klasse-Kabine an Bord des Landungsschiffs Galedon Rose IV bequem und benahm sich wie jeder durchschnittliche Lyraner auf dem Heimflug in die Allianz.
Der letzte Transfer war hoch über der Elliptik Caldreas erfolgt, diesmal an einen der Dockkrägen des Landungsschiffs Aoi Shinju, Blaue Perle. Der Attentäter war seit der Ermordung Melissa SteinerDavions millionenschwer, aber Gloster hatte nur ein kleines Spesenkonto zur Verfügung, das gerade zwei Drinks pro Abend und einen gelegentlichen Bordkinobesuch gestattete. Heute Abend entschied er, sich etwas zu gönnen, und frühstückte im Gravdeckrestaurant des Sprungschiffs. Die Mahlzeit kostete ihn sein Freizeitbudget für die ganze Woche.
Schwerkraft war auf langen Raumreisen ein begehrter Luxus, aber sie hatte ihren Preis. Er ließ sich Zeit mit dem etwas zu salzigen Fertigei und Toast mit Quillargelee, einem in Commonwealth und Allianz sehr beliebten Brotaufstrich, der hier im Draconis-Kombinat als Luxus galt. Die leise Sitarmusik im Hintergrund des Bordrestaurants ging ihm auf die Nerven, weil sie den meisten Lyranern auf die Nerven gegangen wäre. Er ließ sich von der Kellnerin einen Nachrichtenleser bringen und rief das neueste lyranische Nachrichtenfax auf, um es bei einem heißen, bitteren Kaffee zu lesen.
Er hasste es, ein halbes Jahr Vorbereitung aufzugeben, aber der Attentäter hatte sich schließlich doch entschlossen, Omi Kurita anderswo zu suchen. Sie auf Luthien zu töten, wäre zugegebenermaßen riskant gewesen, aber nach all
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