BattleTech 49: Gezeiten der Macht
am Haupttor und der Haustür Posten standen. Das war für sich allein noch nicht beunruhigend, versprach aber unangenehme Neuigkeiten. Auch die Dienstboten wirkten zuvorkommender als üblich. Dayhon Sur, der Verwalter des Landguts, fing Victor ab, bevor der Präzentor Martialum nachfragen konnte, was los war. »Der Salon, Sir.«
Musste er selbst sehen, was das ganze Haus beunruhigte? Dayhon ging Victor über den Fliesenboden der Eingangshalle voraus in den kleinen, mit dickem Teppichboden ausgelegten Flur unter der breiten Prunktreppe. Dort hörte Victor Frauenstimmen. Eine davon gehörte Omi, die andere schien zu weinen. Er wurde schneller und stoppte, als Dayhon Sur eine Hand auf die halboffene Salontür legte und ihm den Weg versperrte.
»Ich werde sofort eine Erfrischung servieren, Sir«, stellte er eine Spur zu laut fest und warnte die Personen im Innern des Salons so vor seiner Ankunft, ohne ihn direkt anzukündigen. Victor nickte. Dayhon beherrschte seine Rolle vollendet und hatte Victor vermutlich einen peinlichen Auftritt erspart.
Die beiden Frauen standen auf, als Victor den Raum betrat. Ausnahmsweise war Omi Kurita diesmal nicht die Erste, die seinen Blick auf sich zog, und als er ihre Besucherin erkannte, kollidierte er um ein Haar mit einem Beistelltisch.
»Isis?«
»Victor«, antwortete Isis Marik mit einem zögernden Lächeln. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Danke für die Gastfreundschaft.«
Er hatte Isis Marik, die Tochter des Generalhauptmanns der Liga Freier Welten, erwartet, allerdings erst in einem Monat. Omi hatte Victor gewarnt, dass die inzwischen heimatlose Isis einen Besuch plante. Sun-Tzu hatte ihre Verlobung überraschend gelöst, und zwischen ihr und dem Generalhauptmann schien auch nicht alles eitel Sonnenschein. Es war allerdings weniger ihre verfrühte Ankunft, die Victor konsternierte, als vielmehr ihr Gefühlszustand. Ihre Augen waren erkennbar verheult, und sie bemühte sich offensichtlich, eine erneute Tränenflut zurückzuhalten. Ihr kastanienbraunes Haar floss in langen Wellen über ihre Schultern und wirkte leicht zerzaust, so, als könne sie es nicht lassen, mit den Fingern hindurchzufahren. Selbst jetzt drehte sie nervös eine Locke um den Zeigefinger.
Omi warf ihm einen warnenden Blick zu, der ihn davon abhielt, ihr Aussehen zu kommentieren. Stattdessen ging er um ein langes Sofa herum und bat die beiden Frauen mit einer Geste, wieder Platz zu nehmen. Er setzte sich auf die andere Seite Omis.
»So früh hatten wir Sie nicht erwartet«, stellte er scheinbar locker fest.
Isis nickte. »Das meiste meines Gepäcks wird erst im nächsten Monat eintreffen«, sagte sie leise. »Ich habe wann immer möglich eine kleine Raumfähre benutzt, die es mir ermöglicht hat, gelegentlich einen absprungbereiten Transport noch zu erwischen und ein paar Aufenthalte zu vermeiden.«
Aber warum war sie überhaupt hier? Victor starrte aus dem kugelsicheren Fenster hinaus auf die Gärten, während er sich diese Frage durch den Kopf gehen ließ. Warum war sie nicht zurück in die Liga Freier Welten nach Atreus geflogen? Alle Welt wusste, dass Isis' gescheiterte Verlobung mit Sun-Tzu ein rein politisches Manöver gewesen war. Ihr Ruf konnte darunter nicht gelitten haben.
»Ihr Gepäck?«, fragte er, noch immer bemüht, die Regeln formeller Höflichkeit zu respektieren.
»Ich fürchte, ich reise mit dem Inhalt eines ganzen Palasts. Alles, was ich von Sian mitgenommen habe, ist über einen mehrere hundert Lichtjahre langen Konvoi verteilt, der mir durch die Innere Sphäre folgt. Es blieb keine Zeit für eine organisierte... oder würdige... Abreise.«
Omi klopfte Isis aufmunternd auf die Schulter und ihre freundliche Art glich Victors Steifheit aus. »Isis ist geradewegs über das Commonwealth und Rasalhaag hierher gekommen«, stellte sie fest.
»Sie befanden sich nicht zuerst in der Liga Freier Welten?« Wie sollte er das verstehen?
Isis schüttelte den Kopf. »Die Konföderation Capeila war meine neue Heimat geworden, Victor.« Sie sah zu Boden, als schäme sie sich dafür. »Zumindest glaubte ich das. Ich hatte die letzten fünf Jahre in ihren Grenzen gelebt. Schon vorher hatte ich sie gerne bereist, um meinen Verlobten zu besuchen. Ich glaubte sie zu verstehen... ihn zu verstehen.«
Sie war beileibe nicht der erste Mensch, der in diese Falle getappt war. »Isis, wenn ich Ihnen mein Bedauern aussprechen sollte, müsste ich lügen, das wissen Sie.« Er war sich darüber im
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