BattleTech 55: Mein ist die Rache
»Neg, Ben. Die Sphärer wählen ihre Standbilder anders aus als wir. Bei uns ehren alle Denkmäler große Krieger, aber dieses hier stellt einen Forscher dar. Soweit ich weiß, ist es der Gründer dieser Stadt.«
Ben nippte noch einmal vorsichtig an der Tasse. »Das ist Kaf, frapos?«
»Nicht wirklich. Es ist etwas kräftiger, aber nicht so bitter. Jedenfalls die Sorte, die man hier ausschenkt. Ich bin sicher, es gibt eine Million Varianten.«
Ben lehnte sich auf dem Stuhl zurück und genoss die Wärme der Sonne. Noch brannte sie nicht wie am Nachmittag vom Himmel. Aus dem Augenwinkel glaubte er, ein Gesicht in der Menge zu erkennen.
»He, ist das Lita da drüben?«, fragte er.
Carl setzte die Tasse ab und schaute in die Richtung, in die Ben zeigte. »Das bezweifle ich. Nicht in diesem Teil der Stadt.«
»Wie meinst du das, ›in diesem Teil der Stadt‹?«
»Glaube es mir, Ben. Die Hauptstraßen hier sind sicher genug, aber entferne dich nicht von ihnen. Und meide vor allem dieses Gebiet bei Nacht. Es sei denn, du suchst einen Kampf.«
Das konnte Ben nicht unbeantwortet lassen. »Ich suche allerdings einen Kampf, Carl. Nur nicht die Art, von der du redest. Hast du irgendeine Vorstellung, wie lange der Trinärstern hier bleiben muss?«
Wieder lachte der alte Krieger. »Hast du mich schon satt? Nein, ernsthaft. Ich habe keine Ahnung. Der Nachschub, den ihr zur Reparatur und Wiederbewaffnung der Mechs braucht, ist gerade erst eingetroffen. Zusammen mit dem Training, das ihr braucht...«
Carls Stimme verklang, als er in Gedanken nachrechnete. Ben, der schnell das Interesse an der Logistik verlor, suchte in der Menge erneut nach Lita und glaubte auch, sie wieder zu entdecken. Er rief ihren Namen, doch sie hörte ihn nicht über dem Lärm der Menge.
Er zupfte Carl am Ärmel. »Das muss sie sein. Ich laufe hinüber.«
Carl stieß einen matten Seufzer aus, als Ben aufstand. »Wenn du unbedingt willst, Petzling. Ich genehmige mir noch eine Tasse Kaffee. Geh mir nicht verloren!«
Ben hörte ihn kaum, als er sich durch die Menge drängte.
* * *
Lita zu folgen, erwies sich als schwieriger, als er erwartet hatte. Das ganze Leben hatte er auf dem Land in der Geschkoausbildung und danach auf Feldeinsätzen auf kaum bevölkerten Hinterwäldlerplaneten verbracht. Erst die Innere Sphäre hatte ihn mit Großstädten und Menschenmengen konfrontiert. Er hatte zwar Geschichten über den belebten Zentralplatz in der Clan-Hauptstadt auf Strana Metschty gehört, aber er war nie dort gewesen. Und falls es dort nur annähernd so zuging wie hier, legte er auch entschieden keinen Wert darauf, ihn je zu sehen.
Gerade als er aufgeben wollte, sah er Lita wieder. Er wollte sie schon rufen, doch dann sah er etwas, das ihn stocken ließ.
Lita stand ein paar Schritte in einer von der Hauptstraße abzweigenden Gasse. Sie schien mit jemandem zu reden, doch Ben konnte nicht erkennen, wer es war. Einmal zuckte ihr Blick über die Vorbeigehenden, als wolle sie sich vergewissern, dass niemand sie beobachte.
Ben drehte sich beschämt um und ließ sich von der Menge mitziehen. So herumzuschleichen war unclangemäß, aber trotzdem verspürte er einen erregenden Adrenalinschub. Falls er richtig interpretierte, was er gesehen hatte: Was trieb Lita hier?
Er schaute sich noch einmal um, und diesmal bekam er die Person, mit der sie redete, deutlich zu Gesicht. Er verstand augenblicklich, was Carl gemeint hatte, als er ihn vor diesem Viertel warnte. Ben hatte zwar noch nie einen wirklichen Verbrecher gesehen, aber der Mann, der Lita da etwas ins Ohr flüsterte, passte perfekt in seine Vorstellung. Er trug dunkle, schmutzige Kleidung und sah aus, als hätte er im Leben noch nicht gebadet. Und in einer Hand hielt er ein kleines Objekt, das er an die Brust presste, als wäre es wertvoller als sein Leben.
Bens Gedanken überschlugen sich. Was sollte er tun?
Lita blickte wieder in seine Richtung, und er entschloss sich, sich abzusetzen. Er nahm denselben Weg zurück und lief hastig zum Cafe.
* * * Jake war überrascht, Ben unangemeldet ins Büro platzen zu sehen, aber die Geschichte, die der junge MechKrieger ihm erzählte, war nicht weniger erstaunlich. Eine wichtige Einzelheit ließ Ben jedoch aus.
»Du hast mir immer noch nicht erklärt, warum du Sterncommander Lita überhaupt nachspioniert hast.«
Ben verzog angesichts der Anschuldigung das Gesicht. »Ich habe ihr nicht nachspioniert, Sterncaptain. Jedenfalls nicht absichtlich. Ich habe sie zufällig auf dem
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