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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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zirkulieren sowie an den Höfen der Könige von Frankreich und England, und er sollte sogar bis zum Basileus von Byzanz gelangen, also musste er so beschaffen sein, wie wichtige Dokumente in der ganzen christlichen Welt nun einmal beschaffen waren. Des weiteren brauchte man Zeit, um Siegel herzustellen, die wirklich wie Siegel aussahen. Wenn man eine seriöse Arbeit machen wollte, durfte man nichts überstürzen.
    Wie sollte man die anderen Kanzleien über den Brief in Kenntnis setzen? Wenn die Reichskanzlei ihn verschickte, würde die Sache unglaubwürdig erscheinen. Man stelle sich vor, der Priester Johannes schreibt einen privaten Brief, um jemandem zu erlauben, ihn in einem allen unbekannten Land zu besuchen, und der Empfänger macht diesen Brief Krethi und Plethi bekannt, so dass ihm ein anderer zuvorkommen kann! Gerüchte über den Brief sollten zweifellos umgehen, nicht nur, um eine künftige Expedition zu rechtfertigen, sondern vor allem, um die ganze Christenheit sprachlos zu machen – aber die Sache durfte nur tröpfchenweise durchsickern, so als verriete jemand ein allerhöchstes Staatsgeheimnis.
    Baudolino schlug vor, seine Freunde einzuschalten. Siewürden unverdächtige Helfer sein, Absolventen des Studiums in Paris und nicht Männer Friedrichs. Abdul könnte den Brief in die Reiche des Heiligen Landes schmuggeln, Boron nach England, Kyot nach Frankreich, und Rabbi Solomon könnte ihn den Juden im Byzantinischen Reich zuspielen.
    So vergingen die nächsten Monate mit allerlei Geschäftigkeit, und Baudolino sah sich zum Leiter eines Scriptoriums ernannt, in dem alle seine alten Gefährten arbeiteten. Friedrich ließ sich ab und zu über den Stand der Dinge unterrichten. Er hatte angeregt, das im Brief gemachte Angebot des Gradals ein bisschen genauer zu formulieren. Baudolino hatte ihm dargelegt, wieso es besser war, es im vagen zu belassen, aber er hatte bemerkt, dass der Kaiser von diesem Symbol priesterköniglicher Macht fasziniert war.
    Doch während sie über dies alles diskutierten, bekam Friedrich neue Sorgen. Er musste sich nunmehr damit abfinden, eine Verständigung mit Papst Alexander III. zu suchen. Da ohnehin der Rest der Welt die kaiserhörigen Gegenpäpste nicht ernst nahm, könnte er sich bereit erklären, Alexander zu huldigen und ihn als den einzigen wahren römischen Pontifex anzuerkennen – und das wäre viel –, aber im Gegenzug müsste der Papst sich entscheiden, den lombardischen Kommunen jegliche Unterstützung zu entziehen – und das wäre sehr viel. Lohnte es sich da, fragten sich an diesem Punkt sowohl Friedrich wie Christian, während sehr behutsam neue Fäden gesponnen wurden, den Papst mit einem erneuten Aufruf zur Einheit von Sacerdotium und Imperium zu provozieren? Baudolino ballte heimlich die Fäuste wegen dieser Verzögerungen, doch er konnte nicht protestieren.
    Mehr noch, im April 1177 zog ihn Friedrich von seinen Projekten ab, indem er ihn mit äußerst delikaten Aufträgen nach Venedig schickte. Es ging darum, mit Umsicht und Fingerspitzengefühl die Einzelheiten der Begegnung zu organisieren, die im Juli zwischen Papst und Kaiser stattfinden sollte. Die Versöhnungszeremonie musste in allen Details bedacht werden, und kein Zwischenfall durfte sie stören.
     
    »Besonders Christian war sehr in Sorge, dass euer Basileus irgendeinen Tumult provozieren könnte, um die Begegnung platzen zu lassen. Du wirst wissen, dass Manuel Komnenos seit geraumer Zeit um ein gutes Verhältnis zum Papst bemüht war, und da würde eine Versöhnung zwischen Alexander und Friedrich seine Pläne sicherlich stören.«
    »Er gab sie für immer auf. Zehn Jahre lang hatte Manuel dem Papst die Wiedervereinigung der beiden Kirchen vorgeschlagen: Er würde die religiöse Vorrangstellung des Papstes anerkennen, und der Papst würde den Basileus von Byzanz als den einzigen wahren römischen Kaiser sowohl des Ost- wie des Westreiches anerkennen. Doch mit einem solchen Abkommen gewann Alexander nicht viel Macht in Konstantinopel, und in Italien schaffte er sich nicht den Kaiser vom Hals, und vielleicht würde er sogar die anderen Herrscher Europas alarmieren. Daher entschied er sich dann für das Bündnis, das ihm mehr Vorteile brachte.«
    »Aber dein Basileus hatte Spitzel nach Venedig geschickt. Sie gaben sich für Mönche aus ...«
    »Wahrscheinlich waren sie welche. In unserem Reich arbeiten die Männer der Kirche für ihren Kaiser und nicht gegen ihn. Aber soviel ich weiß – und bedenke,

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