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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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trieb und sich zum Mitkaiser ausrufen ließ. Als er die geweihte Hostie nahm, schwor er, die Macht nur zu übernehmen, um seinen Neffen zu schützen, aber gleich darauf ließ er den Knaben Alexios durch seinen treuesten Schergen und Handlanger Stephanos Hagiochristophorites mit einer Bogensehne erdrosseln. Als ihm der Leichnam gebracht wurde, befahl er, ihn auf den Grund des Meeres zu werfen, aber ihm vorher den Kopf abzuschneiden, der dann an einem Ort namens Katabate versteckt wurde. Ich habe nie verstanden, warum, denn es handelt sich um ein altes, schon lange zerfallenes Kloster unmittelbar vor den Mauern Konstantinopels.«
    »Ich kann dir sagen, warum. Meine Spione hatten mir berichtet, dass sich bei dem Hagiochristophorites ein ständig hocherregter Mönch befand, den Andronikos nach Manuels Tod als Experten für Schwarze Kunst zu sich genommen hatte. Wie es der Zufall wollte, hieß er Zosimos und stand im Ruf, in den Ruinen jenes Klosters, wo er sich eine unterirdische Residenz eingerichtet hatte, Totenbeschwörungen vorzunehmen ... So hatte ich Zosimos wiedergefunden oder wusste zumindest, wo er steckte. Das war im November 1184, als Beatrix von Burgund überraschend starb.«
    Erneutes Schweigen. Baudolino nahm einen langen Schluck.
    »Ich verstand ihren Tod als Strafe. Es war nur gerecht, dass nach der zweiten auch die erste Frau meines Lebens starb. Ich war knapp über vierzig Jahre alt. In Tortona soll es eine Kirche geben oder gegeben haben, von der es hieß, dass jeder, der in ihr getauft wurde, vierzig Jahre alt wurde. Ich hatte also die Grenze, die den vom WunderBeschenkten gesetzt war, bereits überschritten, ich hätte in Ruhe sterben können. Den Anblick Friedrichs konnte ich nicht ertragen: Der Tod seiner Beatrix hatte ihn niedergeschmettert, er wollte sich um seinen ersten Sohn kümmern, der inzwischen zwanzig geworden war, aber immer schwächer wurde, und er bereitete langsam seinen zweiten Sohn, Heinrich, auf die Thronfolge vor, indem er ihn zum König von Italien krönen ließ. Er wurde alt, mein armer Vater, nun Barbabianca ... Ich kehrte noch einige Male nach Alexandria zurück und entdeckte, dass meine leiblichen Eltern noch weit mehr gealtert waren. Weißhaarig, runzlig und spindeldürr wie jene weißen Ballen, die ich im Frühjahr über die Felder rollen sah, gebeugt wie Sträucher an windigen Tagen, verbrachten sie ihre Tage am Feuer und zankten sich, weil eine Schüssel am falschen Platz stand oder weil einer der beiden ein Ei hatte fallen lassen. Und jedes Mal, wenn ich sie besuchen kam, zeterten sie, dass ich nie käme. Da beschloss ich, mein Leben zu riskieren und nach Byzanz zu reisen, um mich auf die Suche nach Zosimos zu machen, auch wenn ich dann vielleicht meine restlichen Jahre geblendet in einem Geheimverlies würde verbringen müssen.
     
    Nach Konstantinopel zu reisen konnte gefährlich sein, vor ein paar Jahren hatten sich die Bewohner der Stadt, aufgehetzt von Andronikos, noch ehe er an die Macht gekommen war, gegen die dort ansässigen lateinischen Kaufleute erhoben und nicht wenige von ihnen getötet, alle ihre Häuser geplündert und viele von ihnen gezwungen, sich auf die Prinzeninseln in Sicherheit zu bringen. Zwar schien es jetzt, dass Venezianer, Genueser oder Pisaner sich wieder unbehelligt in der Stadt bewegen konnten, da sie unverzichtbar für das Wohlergehen des Reiches waren, aber König Guglielmo II. von Sizilien war mit seiner Kriegsflotte unterwegs nach Byzanz, und für die byzantinischen Griechen waren Sizilianer, Provenzalen, Lombarden, Alemannen oder Römer allesamt unterschiedslos Lateiner. Daher beschlossen Baudolino und seine Freunde, in Venedig ein Schiff zu nehmen, übers Meer nach Konstantinopel zufahren und sich dort als Handelskarawane aus Taprobane (das war eine Idee von Abdul) auszugeben. Wo Taprobane lag, wussten nur wenige, vielleicht niemand, und erst recht konnte in Byzanz kein Mensch eine Ahnung haben, welche Sprache dort gesprochen wurde.
    So war Baudolino als persischer Würdenträger gekleidet, Rabbi Solomon, den man selbst in Jerusalem sofort als Juden erkannt hätte, spielte den Arzt der Truppe, in eine lange schwarze, mit Tierkreiszeichen übersäte Simarre gehüllt, der Poet kam als türkischer Kaufmann im himmelblauen Kaftan daher, Kyot als Levantiner von der Sorte, die schlecht angezogen sind, aber die Taschen voller Goldmünzen haben, Abdul, der sich den Kopf geschoren hatte, um sein rotes Haar nicht zu zeigen, sah am Ende wie ein

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