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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Augen, aus denen die Pupillen herausgesprungen waren, so dass sie plötzlich erblindet schienen – heiliger Jesus, wie diese da!« Er tat einen Satz nach rückwärts, der das Wasser aufspritzen ließ, denn das Licht seiner Fackel war plötzlich auf einen steinernen Kopf gefallen, der, groß wie zehn menschliche Köpfe, unter einer Säule im Wasser lag, auch er auf der Seite, der halb geöffnete Mund noch ähnlicher einer Vulva, anstelle der Haare ein lockenförmiges Schlangengewimmel und das Ganze in einer Totenblässe wie von altem Elfenbein.
    Niketas lächelte. »Der befindet sich hier seit Jahrhunderten«, sagte er. »Das ist ein Medusenkopf, davon gibt es hier einige. Ich weiß nicht, woher sie kommen, sie sind von den Baumeistern als Sockel für die Säulen verwendet worden. Du bist etwas schreckhaft ...«
    »Ich bin nicht erschrocken, es ist nur ... ich habe dieses Antlitz schon einmal gesehen. Woanders.«
    Da Niketas sah, dass Baudolino ein bisschen verwirrt war, wechselte er das Thema. »Ich hatte mir schon gedacht, dass sie die Helena-Statue umstürzen würden.«
    »Wenn es nur die wäre. Alle haben sie umgestürzt, alle zwischen dem Hippodrom und dem Forum, jedenfalls allemetallenen. Sie sind hinaufgeklettert, haben ihnen Seile oder Ketten um den Hals gelegt und sie mit zwei oder drei Paar Ochsen zu Boden gerissen. Ich habe alle Wagenlenkerstatuen fallen sehen, eine Sphinx, ein Nilpferd und ein Krokodil aus Ägypten, eine große Wölfin mit Romulus und Remus an den Zitzen und die Statue des Herakles, auch bei der habe ich erst jetzt bemerkt, wie riesig sie war, der Daumen so groß wie die Büste eines normalen Mannes ... Und dann jener bronzene Obelisk mit den vielen Reliefs und der kleinen Frauenfigur auf der Spitze, die sich mit der Windrichtung drehte ...«
    »Die Genossin des Windes . Ach, welch ein Jammer! Einige waren Werke antiker heidnischer Bildhauer, noch älter sogar als die der alten Römer. Aber warum nur, warum?«
    »Um sie einzuschmelzen. Die erste Regel, wenn man eine Stadt plündert, heißt: Alles einschmelzen, was man nicht mitnehmen kann. Man errichtet überall Schmelzöfen, und denk nur, all diese lichterloh brennenden Häuser, die sind doch wie lauter natürliche Herde. Und dann, du hast die Plünderer ja gesehen in der Kirche, sie können schlecht herumlaufen und allen zeigen, dass sie die Hostienteller und -kapseln aus den Tabernakeln genommen haben. Einschmelzen, sofort einschmelzen muss man die Dinger. Eine Plünderung«, dozierte Baudolino wie einer, der sein Handwerk kennt, »ist wie eine Weinlese, man muss sich die Aufgaben einteilen – da gibt es die Traubenpflücker, da gibt es die Leute, die den Most in die Bottiche füllen, da gibt es die, die den Pflückern zu essen bringen, und die, die den guten Wein vom Vorjahr holen ... Eine Plünderung ist eine ernsthafte Arbeit, jedenfalls wenn man will, dass in der Stadt kein Stein auf dem anderen bleibt, wie es zu meiner Zeit in Mediolanum war. Allerdings braucht man dazu Fachleute wie damals die Pavesaner, jawohl, die wussten, wie man eine Stadt dem Erdboden gleichmacht. Diese hier haben noch viel zu lernen, stell dir vor, sie haben die Statuen umgestürzt und sich dann draufgesetzt, um zu trinken, und dann ist einer gekommen, der hat ein Mädchen an den Haaren hinter sich hergezerrt und geschrien, sie sei noch Jungfrau, und alle haben den Fingerreingesteckt, um zu sehen, ob es sich lohnte ... Bei einer gut gemachten Plünderung muss man sofort alles säuberlich leerräumen, Haus für Haus, erst danach darf man sich amüsieren, sonst nehmen die Gerissensten sich die besten Stücke ... Kurz und gut, mein Problem war, dass ich bei Leuten dieses Schlages nichts erreichte, wenn ich ihnen lang und breit erzählte, dass auch ich aus der Markgrafschaft Montferrat war. Also gab's nur eins zu tun: Ich lauerte hinter einer Ecke, bis ein Reiter in die Gasse einbog, der wegen der vielen Becher, die er geleert hatte, nicht mehr wusste, wo's langging, und sich einfach seinem Pferd überließ. Ich brauchte nichts weiter zu tun, als ihn an einem Fuß zu ziehen, und schon fiel er herunter. Ich nahm ihm den Helm ab und ließ ihm einen Stein auf den Kopf fallen ...«
    »Hast du ihn umgebracht?«
    »Nein, es war bröckeliges Zeug, gerade hart genug, um ihn außer Gefecht zu setzen. Ich musste mich überwinden, weil er anfing, blaurotes Zeug zu spucken, ich zog ihm das Kettenhemd und den Rock aus, nahm seinen Helm und seine Waffen, setzte mich auf

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