Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
Barbaren, ihr könnt euch eine weniger blutige Art, die Fragen der Herrschaft zu regeln, gar nicht vorstellen. Im übrigen war Isaakios ein Bruder von Alexios, und einen Bruder tötet man nicht.«
    »Verstehe, die Blendung war ein Akt der Brüderlichkeit. Bei uns ist das anders. Der Kaiser der Lateiner, der kein Lateiner ist seit der Zeit des Carolus Magnus, ist der legitime Nachfolger der Römischen Kaiser, derer in Rom meine ich, nicht derer in Konstantinopel. Aber um sicher zu sein, dass er es auch wirklich ist, muss er sich vom Papst krönen lassen, denn das Gesetz Christi hat das der Fälscher und Lügner hinweggefegt. Um jedoch vom Papst gekrönt zu werden, muss der Kaiser auch von den italienischen Städten anerkannt werden, die alle ein bisschen machen, was sie wollen, und darum muss er zum König von Italien gekrönt werden – vorausgesetzt natürlich, dass ihn vorher die deutschen Fürsten gewählt haben. Klar?«
    Niketas hatte schon vor geraumer Zeit gelernt, dass die Lateiner, wenngleich Barbaren, sehr kompliziert waren, bar jeder Subtilität und allen Differenzierungsvermögens, wenn es um Fragen der Theologie ging, aber fähig, ein Haar in vier Teile zu spalten, wenn es um Rechtsfragen ging. In all den Jahrhunderten, in denen die byzantinischen Römer ihre Zeit mit der Abhaltung aus- und ergiebiger Konzile verbracht hatten, um die Natur Unseres Herrn zu definieren, ohne dabei die Macht in Frage zu stellen, die noch unmittelbar aus Konstantinopel kam – in all diesen Jahren hatten die Weströmer die Theologie den Priestern in Rom überlassen und ihre Zeit damit verbracht, sich gegenseitig zu vergiften oder die Köpfe einzuschlagen, um zu klären, ob es noch einen Kaiser gab und wer es war, mit dem schönen Ergebnis, dass sie keinen richtigen Kaiser mehr hatten.
    »Nun gut, Friedrich brauchte also eine Krönung in Rom. Muss eine feierliche Sache gewesen sein ...«
    »Nur bis zu einem bestimmten Punkt. Erstens, weil Sankt Peter in Rom verglichen mit der Hagia Sophia eineHütte ist, noch dazu eine eher verwahrloste. Zweitens, weil die Lage in Rom während jener Tage sehr verworren war, der Papst hatte sich in der Nähe von Sankt Peter in seiner Burg verschanzt, und auf der anderen Seite des Tibers gebärdeten sich die Römer als die Herren der Stadt. Drittens, weil nicht recht klar war, ob nun der Papst den Kaiser ärgerte oder der Kaiser den Papst.«
    »Wie meinst du das?«
    »Nun, wenn ich die Fürsten und Bischöfe am Hofe reden hörte, dann waren sie aufgebracht über die Art, wie der Papst den Kaiser behandelte. Die Krönung sollte an einem Sonntag stattfinden, und sie wurde an einem Samstag vollzogen, der Kaiser sollte am Hauptaltar gesalbt werden, und Friedrich wurde an einem Seitenaltar gesalbt, und nicht auf dem Kopf, wie es früher üblich war, sondern an den Schulterblättern, und nicht mit dem geweihten Salböl, dem Chrisma, sondern mit dem Öl der Katechumenen – du verstehst vielleicht nicht den Unterschied, ich habe ihn damals auch nicht verstanden, aber alle am Hof waren zornrot im Gesicht. Ich hatte erwartet, dass auch Friedrich toben würde wie eine Pantherkatze, aber er war dem Papst gegenüber die Höflichkeit selbst, und rot im Gesicht war eher der Papst, als ob er ein schlechtes Geschäft gemacht hätte. Hinterher habe ich Friedrich ganz offen gefragt, warum die Barone gemurrt hatten und er nicht, und da antwortete er, ich müsse den Wert der liturgischen Symbole verstehen, bei denen genüge ein Nichts, um alles zu ändern. Ihm sei es wichtig gewesen, dass die Krönung stattfand und vom Papst vollzogen wurde, aber sie sollte nicht allzu feierlich werden, sonst hätte es bedeutet, dass er nur dank des Papstes Kaiser war, dabei war er es durch den Willen der deutschen Fürsten. Ich sagte zu ihm, dass er schlau wie ein Fuchs sei, denn das sei gewesen, als ob er zum Papst gesagt hätte: Hör mal, Papst, du bist hier bloß der Notar, die Verträge habe ich mit dem Ewigen Vater geschlossen. Er lachte und gab mir einen Klaps und sagte: Bravo, du hast die richtige Art, die Dinge zu sagen. Danach fragte er mich, was ich in Rom gemacht hatte während jener Tage, denn er war so beschäftigt mit den Zeremoniengewesen, dass er mich aus den Augen verloren hatte. Ich sagte, ich hätte mir angesehen, mit was für Festlichkeiten sie die Krönung gefeiert hätten. Es war nämlich so, dass den Römern, ich meine den Bewohnern von Rom, die Sache mit der Krönung in Sankt Peter nicht gefallen hatte,

Weitere Kostenlose Bücher