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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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zeigen, dass wir keine Bettler sind«, zischelte der Boidi weiter.
    »Vielleicht ein Täuferkopf?« erwog Baudolino.
    »Wir haben nur noch fünf«, sagte der Poet, immer ohne die Lippen zu bewegen, »aber was soll's, solange wir imReich sind, können wir die vier anderen ohnehin nicht hervorziehen.«
    Baudolino wusste als einziger, dass es mit dem, den er sich von Abdul genommen hatte, noch sechs Köpfe waren. Er holte einen davon aus seinem Reisegepäck, überreichte ihn Praxeas und sagte dazu, einstweilen – in Erwartung des Ebenholzes, der Leoparden und all der anderen schönen Sachen – möge er dem Diakon die einzige auf dieser Erde noch verbliebene Erinnerung an denjenigen überreichen, der Unseren Herrn Jesus Christus getauft habe.
    Bewegt nahm Praxeas das Geschenk entgegen, das in seinen Augen unschätzbar sein musste, schon wegen des schimmernden Schreins, der, wie er meinte, gewiss aus jener kostbaren gelben Substanz war, von der er schon so viel Fabelhaftes gehört hatte. Begierig, die heilige Reliquie zu verehren, und mit der Miene dessen, der jedes dem Diakon gemachte Geschenk als sein Eigentum betrachtete, klappte er den Kopf mühelos auf (woran Baudolino sah, dass es der von Abdul mit dem schon aufgebrochenen Siegel war), nahm den zusammengeschrumpften bräunlichen Schädel, das Werk des ingeniösen Ardzrouni heraus, hielt ihn hoch und rief mit gebrochener Stimme, noch nie im Leben habe er eine so kostbare Reliquie betrachtet.
    Dann fragte der Obereunuch, mit welchen Namen er seine ehrwürdigen Gäste ansprechen solle, nachdem die Tradition ihnen schon so viele zugewiesen habe und niemand mehr wisse, welche die richtigen seien. Sehr vorsichtig antwortete Baudolino, zumindest bis sie in Gegenwart des Priesters seien, wünschten sie, mit denjenigen Namen angesprochen zu werden, unter welchen man sie im fernen Abendland kenne, und nannte die wahren Namen der elf Reisenden. Praxeas schätzte den evokativen Klang der Namen Ardzrouni und Boidi, fand Baudolino, Colandrino und Scaccabarozzi sehr musikalisch und träumte von exotischen Ländern, als er die Namen Porcelli und Cuttica hörte. Er sagte, er respektiere ihre Zurückhaltung, und schloss: »Nun tretet ein. Es ist spät geworden, der Diakon kann euch erst morgen empfangen. Heute seid ihr meine Gäste, ich versichere euch, es wird ein Bankett geben, dasihr reicher und üppiger nie erlebt habt, und ihr werdet Köstlichkeiten so erlesener Art genießen, dass ihr voller Verachtung an jene zurückdenkt, die euch in den Ländern der untergehenden Sonne vorgesetzt worden sind.«
    »Dabei sind sie in solche Lumpen gekleidet, dass eine von unseren Frauen den eigenen Mann gekreuzigt hätte, um was Besseres zu kriegen«, knurrte der Poet. »Wir sind losgezogen und haben erlitten, was wir erlitten haben, um Kaskaden von Edelsteinen zu sehen. Als wir den Brief des Priesters schrieben, konntest du das Wort Topas nicht mehr hören, und jetzt sitzen die hier mit zehn Kieselsteinchen und vier bunten Kordeln und meinen, sie seien die Reichsten der Welt!«
    »Sei still und wart's ab«, knurrte Baudolino zurück.
    Praxeas schritt ihnen voran ins Innere des Turms und führte sie in einen fensterlosen Saal, der von Glutbecken auf Dreifüßen erleuchtet wurde. In der Mitte lag ein Teppich, der mit Bechern und Schüsseln aus Ton vollgestellt und mit Kissen umgeben war, auf denen sich die Bankettgäste im Schneidersitz niederließen. Serviert wurde von Jünglingen, sicher gleichfalls Eunuchen, deren halbnackte Körper mit wohlriechendem Öl eingerieben waren. Sie reichten zunächst Schalen mit aromatischen Flüssigkeiten, in welche die Eunuchen ihre Finger tauchten, um sich diese sodann an Ohrläppchen und Nasenlöcher zu führen. Nachdem sie sich so benetzt hatten, streichelten sie die Jünglinge sanft und forderten sie auf, die Schalen auch den Gästen darzubieten. Diese passten sich den Gebräuchen ihrer Gastgeber an, wobei jedoch der Poet zwischen den Zähnen knurrte, wenn einer von diesen Kerlen ihn auch nur berührte, würde er ihm mit einem einzigen Hieb alle Zähne ausschlagen.
    Die Speisenfolge war so: große Portionen Brot beziehungsweise die ortsüblichen Fladen; eine Riesenschüssel gekochtes Gemüse, vor allem Kohl, der aber nicht allzu sehr stank, weil er mit diversen Gewürzen bestreut war; Schalen mit einer brandheißen schwärzlichen Sauce, genannt sorq , in welche die Fladen getunkt wurden, und der Porcelli, der als erster davon probierte, bekam

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