Baudolino - Eco, U: Baudolino
von zwei Nubiern, die Fächer aus Pfauenfedern über seinem Kopf wedelten, kam der, welcher offenkundig der höchste Würdenträger dieses Aufmarsches war: auf dem Kopf ein Turban, hoch wie zwei Kathedralen, ein kompliziertes Gebilde aus seidenen Tüchern in verschiedenen Farben, an den Ohren Anhänger aus bunten Steinen, an den Armen Bänder mit schillernden Vogelfedern. Auch er trug ein langes Kleid, das bis zu den Füßen reichte, an der Hüfte jedoch mit einer handbreiten Schärpe aus blauer Seide zusammengehalten wurde, und auf der Brust ein Kreuz aus bemaltem Holz. Er war einMann in fortgeschrittenem Alter, die rotgeschminkten Lippen und die schwarzumrandeten Augen bildeten einen scharfen Kontrast zu seiner schlaffen gelblichen Haut und ließen ein mächtiges, bei jedem Schritt wabbelndes Doppelkinn um so stärker hervortreten. Er hatte feiste Hände mit überlangen, rosa lackierten und messerscharf geschliffenen Fingernägeln.
Der Zug hielt vor den Besuchern an, die Nubier stellten sich in zwei Reihen auf, indes die Eunuchen niederen Ranges vor den Gästen niederknieten und der mit dem Tablett sich verbeugte und die Fladen anbot. Baudolino und die Seinen wussten zuerst nicht recht, was sie tun sollten, dann stiegen sie ab, nahmen sich von den Fladen, kauten artig und verbeugten sich ihrerseits. Daraufhin trat endlich der Obereunuche vor, warf sich der Länge nach mit dem Gesicht nach unten auf den Boden, erhob sich dann wieder und sprach sie auf Griechisch an.
»Seit der Geburt Unseres Herrn Jesus Christus erwarten wir eure Rückkehr, wenn ihr, woran ich nicht zweifle, diejenigen seid, für die wir euch halten, und es schmerzt mich zu hören, dass der zwölfte unter euch – doch ein erster unter allen Christen wie ihr – durch die erbarmungslose Natur vom Wege abgebracht worden ist. Während ich unsere Wachen anweise, unermüdlich nach ihm Ausschau zu halten, wünsche ich euch einen glücklichen Aufenthalt in Pndapetzim«, sprach er mit Knabenstimme. »Dies sage ich euch im Namen des Diakons Johannes, ich, Praxeas, Oberhaupt der Eunuchen am Hofe, Protonotarios der Provinz, einziger Legat des Diakons beim Priester, oberster Wächter und Logothet des Geheimen Weges.« Er sprach, als müssten auch Magier von so viel Würde beeindruckt sein.
» Oh, basta là «, murmelte Aleramo Scaccabarozzi genannt il Ciula, »hört euch bloß den an!«
Baudolino hatte schon oft darüber nachgedacht, wie er sich dem Priester Johannes vorstellen würde, aber noch nie, wie man sich einem Obereunuchen im Dienst des Diakons eines Priesters vorstellte. So beschloss er, sich an das zu halten, was sie sich vorgenommen hatten. »Herr«, sagte er, »groß ist unsere Freude, in diese edle, reiche undwunderbare Stadt Pndapetzim gelangt zu sein, die schönste und blühendste, die wir auf unserer Reise gesehen haben. Wir kommen von weit her, um dem Priester Johannes die höchste Reliquie der Christenheit zu bringen: den Kelch, aus welchem Unser Herr Jesus während des Letzten Abendmahles getrunken hat. Leider hat der Dämon, neiderfüllt, wie er ist, die Kräfte der Natur gegen uns entfesselt und einen unserer Mitbrüder unterwegs sich verirren lassen, dummerweise gerade den, der das Geschenk bei sich trug und mit ihm weitere Zeugnisse unserer Hochachtung für den Priester ...«
»Wie beispielsweise«, fügte der Poet hinzu, »hundert Barren massives Gold, zweihundert große Affen, eine Krone aus tausend Goldlire mit Smaragden, zehn unschätzbare Perlenschnüre, achtzig Kästen Elfenbein, fünf Elefanten, drei gezähmte Leoparden, dreißig menschenfressende Hunde und dreißig Kampfstiere, dreihundert Elefantenzähne, tausend Pantherfelle und dreitausend Stangen Ebenholz ...«
»Wir hatten schon von diesen uns unbekannten Reichtümern und Substanzen gehört, an denen das Land der untergehenden Sonne Überfluss hat«, sagte Praxeas mit glänzenden Augen, »und gelobt sei der Himmel, dass ich sie sehen darf, bevor ich dieses Jammertal verlasse!«
»Kannst du nicht irgendwann mal dein Schandmaul halten?« zischelte der Boidi dem Poeten von hinten ins Ohr und boxte ihm in den Rücken. »Wenn nun Zosimos auftaucht, und sie sehen, dass er noch abgebrannter ist als wir?«
»Sei still«, knurrte der Poet schiefmäulig zurück, »wir haben doch schon gesagt, dass der Dämon im Spiel ist, und der hat eben alles verschlungen. Alles außer dem Gradal.«
»Aber wenigstens ein Geschenk, irgendein Gastgeschenk bräuchten wir jetzt, um ihnen zu
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