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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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einensolchen Hustenanfall, dass man meinte, er sprühe Feuer aus den Nüstern, so dass seine Freunde sich damit begnügten, nur ganz wenig davon zu kosten (und dann die ganze Nacht lang brennenden Durst hatten); ein trockener magerer Flussfisch, den sie thinsireta nannten (sieh da, sieh da, murmelten unsere Freunde), mit Grieß paniert und buchstäblich ertränkt in einem siedenden Öl, das seit vielen Banketten immer dasselbe gewesen sein musste; eine Leinsamensuppe, die sie marac nannten und die nach Ansicht des Poeten wie Kacke schmeckte, auf der Geflügelstücke schwammen, die aber so wenig durchgebraten waren, dass sie wie Leder wirkten, und Praxeas sagte voller Stolz, es handle sich um methagallinarius (sieh da, sieh da, stießen sich unsere Freunde erneut an), und schließlich ein Nachtisch namens cenfelec , der aus kandierten Früchten bestand, aber mehr Pfeffer als Früchte zu haben schien. Bei jedem neuen Gang griffen die Eunuchen gierig zu, und beim Kauen schmatzten sie laut, um ihr Wohlgefallen auszudrücken, nicht ohne den Gästen verständnisinnig zuzunicken, als wollten sie sagen: »Na, schmeckt's? Ist das nicht eine Gabe des Himmels?« Sie aßen mit den Fingern, auch die Suppe schöpften sie mit bloßen Händen, sie vermengten unterschiedliche Dinge zu einem Happen und steckten sich alles auf einmal in den Mund. Aber nur mit der rechten Hand, denn die linke hielten sie die meiste Zeit auf der Schulter des Jünglings, der sie geflissentlich mit Nachschub versorgte. Nur zum Trinken nahmen sie sie dort weg, um nach Krügen zu greifen, die sie sich über die Köpfe hoben, um sich das Wasser in hohem Bogen durch die Luft in den Mund zu gießen.
    Erst am Ende dieses Nabob-Schmauses machte Praxeas ein Zeichen, und es erschienen Nubier, die eine weiße Flüssigkeit in winzige Schälchen gossen. Der Poet kippte seines in einem einzigen Zug hinunter, lief sofort dunkelrot an, stieß eine Art Röhren aus und stürzte wie tot zu Boden, um liegen zu bleiben, bis einige Jünglinge ihm Wasser ins Gesicht spritzten. Praxeas erklärte, leider wachse bei ihnen der Baum des Weines nicht, und das einzige alkoholische Getränk, das sie herstellen könnten, komme aus derGärung des burq , einer bei ihnen sehr verbreiteten Beerenart. Allerdings sei die Stärke dieses Getränks derart, dass man es nur in winzigen Schlückchen zu sich nehmen könne, indem man gerade nur die Zungenspitze hineintauche. Es sei wirklich ein Jammer, dass sie nicht jenen Wein hätten, von dem in den Evangelien geschrieben stehe, denn jedes Mal wenn die Priester von Pndapetzim eine Messe läsen, verfielen sie in die unschicklichste Trunkenheit und hätten Mühe, bis zum Schlusssegen durchzuhalten.
    »Aber was sollten wir auch von diesen Monstern anderes erwarten?« seufzte Praxeas, während er sich mit Baudolino in eine Ecke zurückzog, derweil die anderen Eunuchen quiekend vor Neugier die eisernen Waffen der Reisenden musterten.
    »Monster?« fragte Baudolino mit gespielter Naivität. »Ich hatte bisher den Eindruck, dass hier niemand die wundersamen Deformationen der anderen überhaupt wahrnimmt.«
    »Sicher hast du einen von ihnen reden gehört«, sagte Praxeas mit einem verächtlichen Lächeln. »Sie leben hier seit Jahrhunderten zusammen, sie haben sich aneinander gewöhnt, und indem sie sich weigern, die Monstrosität ihrer Nachbarn zur Kenntnis zu nehmen, übersehen sie die eigene. Monster, jawohl, Tieren ähnlicher als Menschen, aber fähig, sich schneller als Kaninchen zu reproduzieren. Das ist das Volk, das wir regieren müssen, und zwar mit unbeugsamer Härte, um zu verhindern, dass sie einander gegenseitig umbringen, jeder benebelt von seiner eigenen Häresie. Deshalb hat der Priester sie vor Jahrhunderten hier angesiedelt, an der Grenze des Reiches, damit sie mit ihrem abscheulichen Anblick nicht seine anderen Untertanen verwirren, die nämlich – das kannst du mir glauben, edler Herr Baudolino – lauter sehr schöne Menschen sind. Aber es ist ganz natürlich, dass die Natur auch Monster hervorbringt, unerklärlich ist eher, warum nicht inzwischen die ganze menschliche Gattung monströs geworden ist, seit sie das grässlichste aller Verbrechen begangen und Gottvater gekreuzigt hat.«
    Auf einmal bemerkte Baudolino, dass auch die Eunuchenschlecht dachten, und stellte seinem Gastgeber einige Fragen. »Einige dieser Monster glauben«, sagte Praxeas, »dass der Sohn vom Vater nur adoptiert worden sei, andere hören nicht auf zu

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