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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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antwortete, der Nubier habe im Namen Gottes gebeten, ihm mit dem schönen Schwert, das er am Gürtel trage, den Kopf abzuschlagen.
    »Er will, dass ich ihn töte? Wieso?«
    Gavagai schien verlegen. »Nubier seltsame Leut. Du wisse, sie Circumcellionen. Gute Krieger nur, weil Martyrium wolle. Kaum irgendwo Krieg, gleich suche Martyrium. Nubier wie kleine Kinder, wolle immer sofort haben, was ihnen gefalle.« Er sagte etwas zu dem Nubier, und der ging gesenkten Hauptes davon. Auf die Frage, was es mit den Circumcellionen auf sich habe, sagte Gavagai nur, die Circumcellionen seien die Nubier. Dann wies er darauf hin, dass der Sonnenuntergang nahte und der Markt sich auflöste, dass es also Zeit sei, sich zum Turm zu begeben.
    Tatsächlich war die Menge dabei, sich zu zerstreuen, die Verkäufer packten ihre Sachen in große Körbe; aus den Öffnungen in den Felswänden kamen Seile herunter, und die Ware wurde hinaufgezogen. Es war ein geschäftiges Auf und Ab, und kurz darauf lag die ganze Stadt verlassen da. Einen Moment lang schien sie ein großer Friedhof mit unzähligen Grabnischen zu sein, aber schon begannen sich jene Tür- oder Fensteröffnungen eine nach der anderen zu erhellen, ein Zeichen, dass die Einwohner von Pndapetzim Kamine und Lampen anzündeten, um sich auf den Abend vorzubereiten. Dank irgendwelcher unsichtbaren Bohrlöcher kam der Rauch all dieser Feuer aus den Spitzen der Felskegel, und der inzwischen fahle Himmel wurde schraffiert von schwarzbraunen Federbüschen, die sich aufsteigend in den Wolken verloren.
    Unsere Freunde durchmaßen den Rest von Pndapetzim und gelangten zu einem offenen Platz, hinter welchem die Berge keinen erkennbaren Durchgang mehr ließen. Hier erhob sich, halb in den Berghang eingelassen, das einzige artifizielle Bauwerk der ganzen Stadt. Es war ein Turm beziehungsweise der vordere Teil eines runden Stufenturms, unten breit und nach oben hin immer schmaler werdend, aber nicht wie eine aus immer kleineren Kuchen aufgeschichtete Torte, denn ein kontinuierlicher Umgang zog sich spiralförmig von Stufe zu Stufe hinauf, und man erriet, dass er auch im Innern des Felsens auf der Rückseite weiterging und sich also von der Basis bis zur Spitze um den Bau wand. Der Turm selbst bestand aus lauter hohen Doppeltoren mit Rundbögen, die sich aneinanderreihten, ohne mehr Platz zwischen sich zu lassen als für den Pfeiler, der ein Tor vom anderen trennte, und das Ganze sah aus wie ein Ungeheuer mit tausend Augen. Rabbi Solomon meinte, so müsse der Turm zu Babel gewesen sein, den der grausame Nimrod errichtet habe, um herauszufordern den Heiligen, der gesegnet sein solle immerdar.
    »Dies hier«, sagte Gavagai mit unverhohlenem Stolz, »dies iste Palast von Diakon Johannes. Ihr jetzt stehen bleibe und warte, weil Diakon wisse, dass ihr komme, und er euch vorbereite feierlichen Empfang. Ich jetzt gehe.«
    »Wo gehst du hin?«
    »Ich nix kann mit reingehen in Turm. Wenn ihr empfangen und bei Diakon gewesen, ich euch komme wieder holen. Ich euer Führer in Pndapetzim, ich euch nicht lasse allein. Obacht bei Eunuchen, der da junger Mann« – er deutete auf Colandrino –, »und Eunuchen Gefallen an Jugend. Ave, evcharistó, salám. « Er salutierte fast militärisch strammstehend auf seinem einen Fuß, machte kehrt und war einen Augenblick später schon weit in der Ferne.

 
    30. Kapitel
    Baudolino begegnet dem Diakon Johannes
     
    Als sie noch etwa fünfzig Schritte vom Turm entfernt waren, sahen sie einen Zug herauskommen. Vorneweg eine Abordnung Nubier, aber prächtiger angetan als die auf dem Markt: der Unterleib und die Beine in enganliegende weiße Tücher gewickelt, darüber ein Lendenschurz; der Oberkörper nackt, aber mit einem roten Schulterumhang und einem ledernen Halsband, an dem bunte Steine befestigt waren, nicht Edelsteine, sondern Kiesel wie vom Grund eines Flusses, aber angeordnet wie ein lebhaftes Mosaik; auf dem Kopf eine weiße Kapuze mit zahlreichen Schleifchen; an Armen, Handgelenken und Fingern Bänder und Ringe aus geflochtener Kordel. Die Männer in der ersten Reihe spielten Pfeifen und Trommeln, die in der zweiten trugen ihre riesigen Keulen auf der Schulter, die in der dritten hatten nur einen Bogen umgehängt.
    Danach kam ein Aufmarsch derer, die zweifellos die Eunuchen waren: in weite weiche Gewänder gehüllt, geschminkt wie Frauen und gekrönt mit Turbanen, hoch wie Kathedralen. Der in der Mitte trug ein Tablett mit Fladen. Am Ende, rechts und links begleitet

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