Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
gedauert und der Sumpf sei noch unpassierbarer geworden, von den zum Priester gesandten Boten sei bisher keine Nachricht gekommen, vielleicht könnten sie den einzigen gangbaren Weg nicht mehr finden ... Dann kam die gute Jahreszeit, und es wurde gemunkelt, die Weißen Hunnen seien im Anmarsch, ein Nubier habe sie im Norden gesichtet, und man könne jetzt keine Männer opfern, um uns auf einer so schwierigen Reise zu begleiten, und so weiter. Da wir nicht wussten, was wir sonst tun sollten, lernten wir allmählich,uns in den verschiedenen Sprachen auszudrücken, die in Pndapetzim gesprochen wurden. So wussten wir zum Beispiel inzwischen: Wenn ein Pygmäe Hekinah degul ausrief, wollte er damit sagen, dass er zufrieden sei, und die Grußformel, die man mit ihm tauschte, hieß Lumus kelmin pesso desmar lon emposo , was so viel bedeutete wie, dass man sich verpflichtete, keinen Krieg gegen ihn und sein Volk zu führen. Wenn ein Gigant eine Frage mit Bodh-koom beantwortete, hieß das so viel wie »Ich weiß nicht«. Die Nubier nannten das Pferd nek , vielleicht in Analogie zu nekbrafpfar , ihrem Wort für Kamel, während die Blemmyer das Pferd houyhmhnm nannten, und dies war das einzige Mal, dass wir sie Laute aussprechen hörten, die nicht Vokale waren, was uns vermuten ließ, dass sie für ein nie zuvor gesehenes Tier einen nie zuvor gehörten Ausdruck erfanden. Die Skiapoden beteten mit den Worten Hai coba , was für sie »Vater unser« bedeutete, und sie nannten das Feuer deba , den Regenbogen deta und den Hund zita . Die Eunuchen priesen Gott während ihrer Messe, indem sie sangen: Khondinbas Ospamerostas, kamedumas karpanemphas, kapsimunas Kamerostas perisimbas prostamprostamas . Wir wurden mehr und mehr zu Einwohnern von Pndapetzim, so dass uns schließlich die Blemmyer oder Panothier gar nicht mehr so verschieden von uns selbst vorkamen. Wir verwandelten uns in träge dahinlebende Gewohnheitstiere, Boron und Ardzrouni verbrachten die Tage mit Diskussionen über die Leere, und Ardzrouni hatte Gavagai überredet, ihn mit einem Zimmermann der Ponkier in Kontakt zu bringen, mit dem zusammen er ausprobierte, ob es möglich war, allein aus Holz, ohne alles Metall, eine seiner mirakulösen Luftpumpen nachzubauen. Wenn Ardzrouni sich seinem verrückten Unternehmen widmete, zog Boron sich mit Kyot zurück, um Ausritte in die Ebene zu machen und dabei über den Gradal zu fabulieren, wobei sie angespannt Ausschau hielten, ob nicht am Horizont das Phantom von Zosimos auftauchte. Vielleicht, meinte der Boidi, habe Zosimos einen anderen Weg genommen, sei den Weißen Hunnen begegnet und habe ihnen, die ja Götzendiener sein mussten, wer weiß was erzählt und sei gerade dabei,sie zum Angriff gegen das Reich aufzuhetzen ... Die Alexandriner Porcelli, Cuttica und Aleramo Scaccabarozzi genannt il Ciula, die sich bei der Gründung ihrer Heimatstadt einige Kenntnisse im Bauwesen erworben hatten, hatten sich in den Kopf gesetzt, die Bewohner von Pndapetzim zu überzeugen, dass vier gut gemauerte Wände besser waren als ihre Taubenlöcher im Felsen, und hatten ein paar Giganten gefunden, die ja von Berufs wegen jene Löcher in die Felsen schlugen, denen sie beibrachten, wie man Mörtel anrührt und wie man Ziegel aus Lehm formt, um sie dann in der Sonne trocknen zu lassen. So waren am Stadtrand fünf oder sechs Häuser errichtet worden, aber eines schönen Morgens wurden sie von den Zungenlosen besetzt, die aus Berufung Landstreicher waren und aus Prinzip auf anderer Leute Kosten lebten. Man versuchte, sie mit Steinwürfen zu vertreiben, aber vergeblich. Der Boidi spähte jeden Abend in Richtung der Schlucht, um zu sehen, ob nicht endlich die Schönwetterzeit wiederkam. Kurzum, jeder hatte sich seinen eigenen Zeitvertreib erfunden, wir hatten uns an die scheußlichen Speisen gewöhnt und konnten vor allem nicht mehr auf den burq verzichten. Uns tröstete der Gedanke, dass ja nun das Reich bloß noch zwei Schritte entfernt war, beziehungsweise ein Jahr Fußmarsch, wenn alles gut ging, aber wir fühlten uns nicht mehr verpflichtet, irgendwas zu entdecken oder einen anderen Weg zu finden, wir mussten bloß warten, dass die Eunuchen uns den richtigen führten. Wir waren, könnte man sagen, selig entnervt und glücklich gelangweilt. Jeder von uns, außer Colandrino, war bereits in die Jahre gekommen. Ich hatte die Fünfzig überschritten, und in dem Alter stirbt man, wenn man nicht schon lange tot ist. Wir dankten Gott, dass wir noch

Weitere Kostenlose Bücher