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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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wird er einen anderen Vogel hervorbringen, indem er ein Ei ausbrütet, so wie eine Hypatia ein Kind aus ihrem Bauch hervorbringen kann. Aber wenn die Kreatur einmal hervorgebracht worden ist, sei sie eine Hypatia oder ein Vogel, dann lebt sie aus eigener Kraft und überlebt auch den Tod ihrer Mutter. Nun denk statt dessen ans Feuer. Das Feuer bringt keine Wärme hervor, es strahlt sie aus. Die Wärme ist dasselbe wie das Feuer, wenn du das Feuer löschst, hört auch die Wärme auf. Die Wärme des Feuers ist am stärksten da, wo das Feuer entsteht, und sie wird immer schwächer, je mehr die Flamme zu Rauch wird. So ist es auch mit Gott. Je weiter er sich in Emanationen verströmt und dabei von seinem dunklen Zentrum entfernt, desto mehr verliert er an Kraft, und am Ende wird er eine zähflüssige, trübe Materie, wie das formlose Wachs, in das die Kerze zerfließt. Der Eine und Einzige würde sich lieber nicht so weit ausdehnen, aber er kann nichts tun gegen dieses Sichverströmen bis in die Vielheit und bis ins Chaos.«
    »Und dieser dein Gott ist nicht imstande, das Böse aufzulösen, das ... das sich rings um ihn bildet?«
    »O doch, er könnte schon. Der Eine und Einzige ist immerzu bemüht, diesen Atem, der zu Gift werden kann, wieder einzusaugen, und siebzigmal siebentausend Jahre lang war es ihm stets gelungen, seine Ausdünstungen wieder ins Nichts zurückzuholen. Das Leben Gottes war ein regelmäßiger Atem, er atmete ohne Anstrengung. So, hörst du?« Sie zog die Luft durch die Nase ein, wobei ihre zarten Nasenflügel vibrierten, und stieß sie durch den Mund wieder aus. »Eines Tages jedoch verlor er die Kontrolle über eine seiner Zwischenpotenzen, die wir den Demiurgen nennen, der vielleicht Zebaoth oder Jaldabaoth, der falsche Gott der Christen ist. Dieser Abklatsch Gottes nun, der hat aus Versehen oder aus Stolz oder aus Torheit die Zeit geschaffen, wo es vorher nur Ewigkeit gab. DieZeit ist eine stammelnde Ewigkeit, verstehst du? Und zusammen mit der Zeit hat er das Feuer geschaffen, das Wärme spendet, aber auch alles zu verbrennen droht, das Wasser, das den Durst stillt, aber auch alles ersäuft, die Erde, die das Gras und die Kräuter ernährt, aber auch Lawine werden und sie ersticken kann, die Luft, die uns atmen lässt, aber auch Orkan werden kann ... Er hat alles falsch gemacht, dieser täppische Demiurg. Er hat die Sonne gemacht, die Licht spendet, aber die Felder und Wiesen ausdörren kann, den Mond, der die Nacht nur ein paar Nächte lang beherrschen kann, dann nimmt er schon wieder ab und stirbt, die anderen Himmelskörper, die prächtig sind, aber schädliche Einflüsse ausstrahlen können. Und dann die verstandesbegabten Wesen, die aber nicht fähig sind, die großen Mysterien zu verstehen, die Tiere, die uns manchmal treu sind und manchmal bedrohen, die Pflanzen, die uns ernähren, aber nur ein sehr kurzes Leben haben, die Mineralien, die ohne Leben, ohne Seele, ohne Verstand sind und daher nie etwas begreifen. Der Demiurg war wie ein Kind, das Figuren aus Schlamm formt in der Absicht, die Schönheit des Einhorns nachzubilden, und heraus kommt etwas, das eher wie eine Ratte aussieht!«
    »Dann ist also die Welt eine Krankheit Gottes?«
    »Wenn du vollkommen bist, kannst du nicht umhin, dich in Emanationen zu verströmen, und wenn du anfängst, dich zu verströmen, wirst du krank. Und im übrigen musst du versuchen zu begreifen, dass Gott in seiner Fülle auch der Ort oder Nicht-Ort ist, in dem die Gegensätze zusammenfallen.«
    »Die Gegensätze?«
    »Ja, wir spüren die Wärme und die Kälte, das Licht und die Finsternis und all die anderen Dinge, die einander entgegengesetzt sind. Manchmal gefällt uns die Kälte nicht und scheint uns schlecht im Vergleich mit der Wärme, aber manchmal ist uns auch die Wärme zu viel, und wir sehnen uns nach kühler Frische. Wir sind es, die bei Gegensätzen je nach unserer Laune oder unserer Leidenschaft glauben, eines der beiden Elemente sei gut und das andere schlecht.In Gott fallen nun die Gegensätze zusammen und gelangen zu einer wechselseitigen Harmonie. Doch wenn Gott sich zu verströmen beginnt, gelingt es ihm nicht mehr, die Harmonie der Gegensätze zu kontrollieren, und sie zerbricht, und die Gegensätze bekämpfen einander. Der Demiurg hat die Kontrolle über die Gegensätze verloren, er hat eine Welt geschaffen, in der Stille und Lärm, das Ja und das Nein, das eine Gut und das andere einander bekämpfen. Das ist es, was wir als das Böse

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