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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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sehen. Am dritten Tag kam er mit seinem charakteristischen Lächeln, das wie eine Mondsichel aussah, und sagte mir, während er selig ausgestreckt im Schatten seines Fußes gelegen habe, sei jene Kreatur erschienen. Sie habe sich ihm vertrauensvoll und erleichtert genähert, als ob sie jemanden erwartet hätte. Sie habe meine Botschaft mit Erregung entgegengenommen (»Sie mir geschienen, sehr dringend dich sehen wolle«, sagte er mit einer gewissen Verschmitzheit), und sie ließe mir mitteilen, dass sie jeden Tag an den See gekommen sei,jeden Tag (»Sie zweimal gesagt«). Vielleicht erwarte ja auch sie seit langem die Magier, kommentierte er mit Unschuldsmiene. Am nächsten Tag musste ich noch in Pndapetzim bleiben, aber ich versah meine Pflichten als Heerführer mit einer Begeisterung, die den Poeten erstaunte, der mich als einen dem Waffendienst eher Abgeneigten kannte, die sich jedoch ansteckend auf meine Armee auswirkte. Ich kam mir vor wie der Herr der Welt, ich hätte es furchtlos mit hundert Weißen Hunnen aufgenommen. Zwei Tage später kehrte ich zitternd vor Angst zu jenem schicksalhaften Ort zurück.«

 
    34. Kapitel
    Baudolino entdeckt die wahre Liebe
     
    »In jenen Tagen des Wartens, Kyrios Niketas, war ich von gegensätzlichen Gefühlen beherrscht. Ich brannte vor Begierde, sie wiederzusehen, ich fürchtete, sie nie wiederzusehen, ich sah sie umstellt von tausend Gefahren, mit einem Wort, ich machte alle Gefühle durch, die zur Liebe gehören, nur nicht die Eifersucht.«
    »Hast du nicht daran gedacht, dass die Große Mutter sie gerade jetzt zu den Befruchtern schicken könnte?«
    »Ein solcher Zweifel ist mir nie gekommen. Vielleicht dachte ich, weil ich wusste, wie sehr ich inzwischen der ihre war, sie sei in solchem Grade die meine, dass sie es ablehnen würde, sich von anderen berühren zu lassen. Ich habe lange darüber nachgedacht, hinterher, und bin zu dem Schluss gekommen, dass vollkommene Liebe keinen Platz für Eifersucht lässt. Eifersucht ist Verdacht, Furcht und Verleumdung zwischen Liebenden, und der Apostel Johannes hat gesagt, dass die vollkommene Liebe alle Furcht vertreibt. Ich empfand keine Eifersucht, aber ich versuchte ständig, mir ihr Gesicht vor Augen zu halten, und es gelang mir nicht. Ich erinnerte mich an das, was ich empfunden hatte, wenn ich sie ansah, aber ich konnte sie mir nicht vorstellen. Dabei tat ich während unserer Begegnungen nichts anderes, als sie unverwandt anzusehen ...«
    »Ich habe gelesen, dass es heftig Liebenden so ergeht ...«, sagte Niketas mit der Verlegenheit dessen, der eine so überwältigende Leidenschaft nie selber erfahren hat. »Ist es dir bei Beatrix und bei Colandrina nicht so ergangen?«
    »Nein, nicht in dem Maße, dass es mich so hätte leiden lassen. Ich glaube, bei Beatrix habe ich vor allem die Idee der Liebe kultiviert, ich brauchte kein reales Gesicht, undaußerdem hätte ich es als Sakrileg empfunden, mir ihre körperlichen Züge vorzustellen. Was Colandrina betraf, so ist mir klar geworden – nachdem ich Hypatia kennengelernt hatte –, dass es bei ihr keine Leidenschaft war, sondern eher Freude, Zärtlichkeit, innigste Zuneigung, wie ich sie, Gott vergebe mir, für eine Tochter oder eine kleine Schwester hätte empfinden können. Ich glaube, es geht allen Verliebten so, aber in jenen Tagen war ich überzeugt, dass Hypatia die erste Frau war, die ich wirklich liebte – und sicher war sie das auch und ist es noch und wird es immer bleiben. Später begriff ich, dass wahre Liebe ihren Wohnsitz im innersten Herzen aufschlägt und dort Ruhe findet, aufmerksam für ihre nobelsten Geheimnisse, und dass sie nur selten in die Räume der Vorstellung zurückkehrt. Deshalb gelingt es ihr nicht, die körperliche Gestalt der abwesenden Geliebten zu reproduzieren. Nur die Liebe zur Unzucht, die nie bis ins Innerste des Herzens eindringt und sich allein von lüsternen Phantasien ernährt, vermag solche Bilder zu produzieren.«
    Niketas schwieg, doch es fiel ihm sichtlich schwer, seinen Neid zu beherrschen.
     
    Ihre Wiederbegegnung war schüchtern und bewegt. Hypatias Augen strahlten vor Glück, aber gleich darauf senkte sie schamhaft den Blick. Sie setzten sich ins Gras. Akazio weidete friedlich in geringer Entfernung. Die Blumen ringsum dufteten mehr als gewöhnlich, und Baudolino fühlte sich, als hätte er gerade ein Schlückchen burq gekostet. Er wagte nicht zu sprechen, aber schließlich rang er sich dazu durch, weil die Intensität ihres

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