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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Schweigens ihn sonst zu einer unkontrollierten Bewegung hingerissen hätte.
    Erst jetzt verstand er, warum er hatte erzählen hören, dass die wahren Liebenden bei ihrem ersten Liebesgespräch erbleichen, zittern und immer wieder verstummen. Es geschieht, weil die Liebe, da sie sowohl das Reich der Natur wie das der Seele beherrscht, alle Kräfte beider auf sich zieht, wie immer sie sich auch bewegt. So bringt die Liebe, wenn die wahren Liebenden sich begegnen, alleStillstand, sowohl die körperlichen wie die geistigen: Die Zunge weigert sich zu sprechen, die Augen zu sehen, die Ohren zu hören, und jedes Glied entzieht sich seiner Pflicht. Dies hat zur Folge, dass der Körper, wenn die Liebe sich allzu lange im innersten Herzen aufhält, seiner Kräfte beraubt verfällt. An einem bestimmten Punkt jedoch wirft das Herz, wegen der Ungeduld der Liebesglut, die es empfindet, seine Leidenschaft gleichsam hinaus und erlaubt damit dem Körper, seine Funktionen wieder aufzunehmen. Und dann spricht der Liebende.
    »So ist es«, sagte Baudolino, ohne zu erklären, was er empfand und was er gerade verstanden hatte, »all die schönen und schrecklichen Dinge, die du mir erzählt hast, sind das, was euch die weise Hypatia gelehrt hat ...«
    »O nein«, sagte sie, »ich habe dir gesagt, dass unsere Ahninnen, als sie fliehen mussten, alles vergessen hatten, was Hypatia sie gelehrt hatte, außer der Pflicht zur Erkenntnis. Durch Meditation haben wir dann immer mehr von der Wahrheit entdeckt. Jede von uns hat während dieser Jahrtausende nachgedacht über die Welt, die uns umgibt, und über das, was sie in ihrer Seele empfand, und so ist unser Bewusstsein Tag für Tag reicher geworden, und das Werk ist noch nicht vollendet. Vielleicht waren in dem, was ich dir gesagt habe, auch ein paar Dinge, die meine Gefährtinnen noch nicht verstanden haben und die mir erst aufgegangen sind, als ich versuchte, sie dir zu erklären. So macht jede von uns sich weise, indem sie den anderen erklärt, was sie fühlt, und während sie es erklärt, lernt sie es selber verstehen. Wenn du nicht hier bei mir wärest, hätte ich mir selbst vielleicht einige Dinge nicht so klar gemacht. Du warst mein guter Geist, mein gütiger Archont, Baudolino.«
    »Sind alle deine Gefährtinnen so klar und beredt wie du, meine liebreizende Hypatia?«
    »Oh, ich bin unter ihnen die letzte. Manchmal machen sie sich über mich lustig, weil ich nicht ausdrücken kann, was ich empfinde. Ich muss noch wachsen, verstehst du? Aber in diesen Tagen habe ich mich stolz gefühlt, als hätteich ein Geheimnis, das sie nicht kennen, und – ich weiß nicht, warum – ich habe es lieber für mich behalten. Ich verstehe nicht recht, was mit mir geschieht, es ist, als ob ... als ob ich das alles lieber zu dir sagte als zu ihnen. Meinst du, das ist etwas Schlechtes, bin ich unlauter zu ihnen?«
    »Du bist lauter zu mir.«
    »Bei dir ist es leicht. Ich glaube, dir könnte ich alles sagen, was mir durch den Sinn geht und ins Herz kommt. Auch wenn ich nicht sicher wäre, ob es richtig ist. Weißt du, was mir in diesen Tagen passiert ist, Baudolino? Ich habe von dir geträumt. Wenn ich morgens aufgewacht bin, habe ich gedacht, das wird ein schöner Tag, weil du irgendwo in der Nähe warst. Dann habe ich dich nicht gesehen und dachte, der Tag wird hässlich. Es ist seltsam, gewöhnlich lacht man, wenn man glücklich ist, und weint, wenn man leidet, aber mir passiert es neuerdings, dass ich im gleichen Augenblick lache und weine. Bin ich vielleicht krank? Dann ist es jedoch eine wunderschöne Krankheit. Ist es recht, seine eigene Krankheit zu lieben?«
    »Du bist hier die Magistra, liebste Freundin«, sagte Baudolino lächelnd, »du darfst mich nicht fragen, auch weil ich, glaube ich, dieselbe Krankheit habe.«
    Hypatia streckte eine Hand aus und berührte erneut seine Narbe. »Du musst etwas Gutes sein, Baudolino, weil es mir angenehm ist, dich zu berühren, wie es mir bei Akazio geht. Berühre auch du mich, vielleicht kannst du einen Funken wecken, der noch in mir ist und von dem ich nichts weiß.«
    »Nein, mein Liebling, ich habe Angst, dass ich dir weh tue.«
    »Berühre mich hier hinterm Ohr. Ja, so, noch mal ... Vielleicht kann man durch dich einen Gott herbeirufen. Du müsstest irgendwo das Zeichen haben, das dich mit etwas anderem verbindet ...«
    Sie schob die Hände unter sein Gewand und ließ die Finger über seine Brusthaare gleiten. Sie kam näher, um an ihm zu riechen. »Du bist

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