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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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der Menschen auch so lange Beine?« fragte sie mit gerunzelter Stirn. »Hast du ... die Ekstase an der Seite von Langbeinigen erlebt?«
    »Ich wusste ja nicht, dass es dich gibt, mein Lieb.«
    »Ich will nicht, dass du jemals wieder die Beine von Menschenfrauen betrachtest.« Er küsste ihr schweigend die Hufe.
    Es wurde dunkel, und sie mussten sich trennen. »Ich glaube«, murmelte Hypatia, während sie noch einmal seine Lippen streifte, »ich werde meinen Gefährtinnen nichts erzählen. Sie würden vielleicht nichts verstehen, sie wissen ja nicht, dass es auch diese Art des Aufstiegs in höhere Regionen gibt. Bis morgen, mein Lieb. Hörst du? Ich nenne dich so, wie du mich genannt hast. Ich erwarte dich.«
     
    »So vergingen einige Monate, es waren die schönsten und reinsten meines Lebens. Ich ritt jeden Tag zum See, und wenn ich nicht konnte, diente uns der treue Gavagai als Liebesbote. Ich hoffte, dass die Weißen Hunnen nie kommen würden und dass dieses Warten in Pndapetzim bis zu meinem Tod andauerte und darüber hinaus. Aber ich fühlte mich, als ob ich den Tod besiegt hätte.«
     
    Eines Tages dann, viele Monate später, nachdem sie sich ihm mit der gleichen Leidenschaft wie stets hingegeben hatte und noch kaum zur Ruhe gekommen war, sagte Hypatia zu Baudolino: »Mit mir geht etwas vor. Ich weiß, was es ist, denn ich habe die Geständnisse meiner Gefährtinnen gehört, wenn sie von der Nacht mit den Befruchtern zurückkamen. Ich glaube, ich habe ein Kind im Leib.«
    Baudolino empfand im ersten Moment nur eine unsägliche Freude, er küsste diesen gesegneten Leib, ob gesegnet von Gott oder von den Archonten. Dann kamen ihm Sorgen: Hypatia würde den anderen ihren Zustand nicht verbergen können, was würde sie tun?
    »Ich werde der Großen Mutter die Wahrheit beichten«, sagte sie. »Sie wird verstehen. Jemand, etwas hat gewollt,dass ich das, was die anderen mit den Befruchtern tun, mit dir getan habe. Es war richtig, entsprechend dem guten Teil der Natur. Sie wird es mir nicht vorwerfen können.«
    »Aber du wirst neun Monate lang von der Gemeinschaft gehütet werden, und danach werde ich das neugeborene Wesen nie zu sehen bekommen.«
    »Ich werde noch oft herkommen. Es dauert lange, bis der Bauch so dick wird, dass alle es merken. Wir werden uns nur in den letzten Monaten nicht sehen können, wenn ich der Großen Mutter alles gesagt habe. Und was das neugeborene Wesen angeht – wenn es ein männliches ist, wird man es dir geben, und wenn es ein weibliches ist, betrifft es dich nicht. So will es die Natur.«
    »So wollen es dein Blödmann von Demiurg und diese halben Ziegen, mit denen du lebst!« schrie Baudolino außer sich. »Das neue Wesen gehört auch mir, ob es weiblich oder männlich ist!«
    »Wie schön du bist, wenn du dich erzürnst, auch wenn man das nie sollte«, sagte sie und küsste ihn auf die Nase.
    »Mach dir doch klar, dass sie dich nach der Geburt nicht mehr zu mir lassen werden, so wie deine Gefährtinnen nie ihre Befruchter wiedergesehen haben! So will es doch, eurer Meinung nach, die Natur, oder nicht?«
    Sie machte es sich erst in diesem Augenblick klar und begann zu weinen, mit kleinen Schluchzern, wie wenn sie sich liebten, den Kopf an seine Brust gelegt und die Arme um ihn geschlungen, so dass er ihren zuckenden Busen spürte. Er streichelte sie, sagte ihr zärtliche Worte ins Ohr und machte ihr dann den einzigen Vorschlag, der ihm vernünftig schien: Sie solle mit ihm fliehen. Auf ihren entsetzten Blick hin sagte er, nein, das sei kein Verrat an ihrer Gemeinschaft. Sie sei einfach mit einem anderen Privileg ausgezeichnet worden und habe nun andere Pflichten. Er würde sie in ein fernes Reich mitnehmen, und dort würde sie eine neue Kolonie von Hypatien gründen, sie würde einfach die Saat ihrer fernen Mutter noch fruchtbarer machen und ihre Botschaft anderswohin verbreiten. Nur würde er dann an ihrer Seite leben und neue Befruchter finden, solche in Menschengestalt, wie vermutlich die Frucht ihresLeibes sein werde. »Wenn du fliehst, tust du nichts Böses«, sagte er, »im Gegenteil, du verbreitest das Gute ...«
    »Also werde ich die Große Mutter um Erlaubnis bitten.«
    »Warte, ich weiß noch nicht, wie diese Große Mutter ist. Lass mich nachdenken. Wir gehen gemeinsam zu ihr, ich werde sie schon überzeugen. Gib mir ein paar Tage Zeit, dass ich mir die richtigen Worte überlege.«
    »Mein Lieb, ich will dich nicht nie mehr wiedersehen«, schluchzte sie auf. »Ich tue, was

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