Baudolino - Eco, U: Baudolino
du willst, ich gebe mich als eine Menschenfrau aus, ich gehe mit dir in jene neue Stadt, von der du mir erzählt hast, ich werde mich wie eine Christin benehmen, ich werde sagen, dass Gott einen toten Sohn am Kreuz gehabt hat. Wenn du nicht mehr da bist, will ich keine Hypatia mehr sein!«
»Beruhige dich, mein Lieb. Du wirst sehen, ich finde eine Lösung. Ich habe Karl den Großen heilig werden lassen, ich habe die Magierkönige wiedergefunden, ich werde es auch schaffen, mir meine Braut zu erhalten.«
»Braut? Was ist das?«
»Das erkläre ich dir später. Geh jetzt, es ist spät geworden. Wir sehen uns morgen wieder.«
»Es gab kein Morgen mehr, Kyrios Niketas. Als ich nach Pndapetzim zurückkam, liefen mir alle entgegen, sie hatten mich schon seit Stunden gesucht. Es war nicht mehr zu bezweifeln: Die Weißen Hunnen nahten, man konnte am Horizont schon die Staubwolken sehen, die ihre Pferde aufwirbelten. Sie würden im ersten Morgenlicht an den Grenzen der Farnkrautebene sein. Es blieben uns nur noch wenige Stunden, um die Verteidigung vorzubereiten. Ich begab mich sofort zum Diakon, um ihm anzukündigen, dass ich den Oberbefehl übernehmen würde. Zu spät. Jene Monate qualvollen Wartens auf die Schlacht, die Anstrengung, die er sich abverlangt hatte, um sich auf den Beinen zu halten und bei der Unternehmung mitzumachen, vielleicht auch der neue Lebensmut, den ich ihm mit meinen Erzählungen eingeflößt hatte, hatten sein Ende beschleunigt. Ich hatte keine Angst, ihm nahe zu sein, während er die letzten Atemzüge tat, ja ich drückte ihm sogar dieHand, als er mir zum Abschied Sieg wünschte. Er sagte, wenn ich gesiegt hätte, würde ich vielleicht ins Reich seines Vaters gelangen, und darum bitte er mich um einen letzten Dienst. Sobald er verschieden sei, würden seine beiden verschleierten Getreuen seinen Leichnam so herrichten, als sei er der eines Priesters, indem sie ihn mit jenen Ölen salbten, die sein Abbild in das Leintuch eindrückten, in das man ihn hüllen werde. Dieses Abbild solle ich dem Priester bringen, und so blass er darauf auch erscheinen werde, würde er sich seinem Adoptivvater immer noch weniger entstellt zeigen, als er es war. Wenig später verschied er, und die beiden Getreuen taten, was getan werden musste. Sie sagten mir, das Leintuch brauche einige Stunden, um seine Züge aufzunehmen, sie würden es dann zusammenrollen und in eine Schatulle legen. Sie rieten mir schüchtern, die Eunuchen über den Tod des Diakons zu informieren. Ich beschloss, es nicht zu tun. Der Diakon hatte mich zum Oberbefehlshaber seiner Truppen ernannt, und nur deshalb würden die Eunuchen es nicht wagen, mir nicht zu gehorchen. Ich war darauf angewiesen, dass sie beim Kriegführen einigermaßen kooperierten, indem sie in der Stadt die Aufnahme der Verwundeten vorbereiteten. Hätten sie sofort vom Tod des Diakons erfahren, so hätten sie im Mindestfall den Kampfgeist der Truppen geschwächt, indem sie die traurige Nachricht verbreiteten, und hätten die Leute durch die Beisetzungsfeierlichkeiten abgelenkt. Im schlimmsten Fall hätten sie vielleicht, misstrauisch, wie sie waren, sofort die höchste Macht ergriffen und damit ebenfalls alle Verteidigungspläne des Poeten umgeworfen. Also auf in den Krieg, sagte ich mir. Auch wenn ich immer ein Mann des Friedens gewesen war – diesmal ging es darum, das noch ungeborene Wesen zu verteidigen.«
35. Kapitel
Baudolino gegen die Weißen Hunnen
Seit Monaten war der Plan in allen Einzelheiten ausgefeilt worden. Hatte sich der Poet bei der Ausbildung seiner Truppen als guter Hauptmann erwiesen, so hatte Baudolino eine Begabung als Stratege an den Tag gelegt. Gleich am Stadtrand erhob sich der höchste jener von weitem wie Sahnekegel aussehenden Hügel, die sie als erstes bei der Ankunft gesehen hatten. Von dort oben beherrschte man die ganze Ebene bis zu den Bergen im Osten und bis über den Rand des Farnwalds hinaus im Norden und Westen. Von dort aus würden Baudolino und der Poet die Bewegungen ihrer Krieger leiten. Eine Schar ausgewählter Skiapoden, angeführt von Gavagai, würde ihnen schnellste Kommunikation mit den diversen Truppenteilen erlauben.
Die Ponkier sollten sich über verschiedene Punkte der Ebene verteilen, um mit ihrem hochempfindlichen Brustorgan die Bewegungen des Gegners zu erspüren und, wie vereinbart, Rauchsignale zu geben.
Ganz vorn, fast am äußersten Rand der Farnwaldes, sollten die Skiapoden bereitstehen, um unter dem
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