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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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gebracht. Mit diesem Gradal in der Hand würde ich weitere Dummheiten machen. Er hatte recht, der gute Boidi. Ich wäre gern mitgekommen nach Alexandria, aber was sollte ich dort, umgeben von tausend Erinnerungen an Colandrina und jede Nacht von Hypatia träumend? So dankte ich dem Boidi für seine schöne Idee und wickelte den Gradal wieder in den Lappen, in dem ich ihn hergebracht hatte, aber ohne das Reliquiar. Wenn du auf Reisen bist und triffst womöglich auf Räuber, sagte ich ihm, dann würden sie dir ein scheinbar goldenes Reliquiar gleich wegnehmen, während sie eine schlichte Holzschale nicht mal anrühren. Geh mit Gott, Boidi, möge er dir bei deinem Vorhaben helfen. Lass mich hier, ich muss eine Weile allein bleiben. – So ging auch er. Ich schaute mich um, und da fiel mir Zosimos ein. Er war;nicht mehr da. Wann er sich davongemacht hatte, weiß ich nicht, er hatte wohl gehört, dass einer den anderen umbringen wollte, und inzwischen hatte ihn das Leben gelehrt, jeden Wirrwarr zu meiden. Tastend hatte er, der jene Gänge ja bestens kannte, sich davongemacht, während wir auf ganz anderes achteten. Er hatte es wahrhaft bunt getrieben, aber er war dafür bestraft worden. Soll er weiter in den Straßen betteln, und möge der Herr ihm gnädig sein. Tja, Kyrios Niketas, so bin ich also zurückgegangen durch meine Mumiengalerie, bin über die Leiche des Poeten gestiegen und schließlich nahe am Hippodrom wieder ans Licht des Brandes gekommen. Was mir gleich darauf passiert ist, habe ich dir schon erzählt, und bald danach bin ich dir begegnet.«

 
    39. Kapitel
    Baudolino als Säulenheiliger
     
    Niketas schwieg. Auch Baudolino schwieg und hielt die Hände offen im Schoß, als wollte er sagen: »Das war's.«
    »Da ist etwas in deiner Geschichte«, sagte Niketas nach einer Weile, »was mich noch nicht überzeugt. Der Poet hatte phantasiereiche Anklagen gegen deine Gefährten vorgebracht, als hätte jeder von ihnen Friedrich getötet, und dann hat nichts davon gestimmt. Du hast geglaubt, die Vorgänge in jener Nacht rekonstruiert zu haben, aber wenn du mir alles erzählt hast, dann hat der Poet nie gesagt, dass es tatsächlich so gewesen war.«
    »Er hat mich umzubringen versucht!«
    »Er war von Sinnen, das ist klar. Er wollte den Gradal um jeden Preis haben, und um ihn zu kriegen, hatte er sich in den Kopf gesetzt, dass der, der ihn hatte, schuldig war. Bei dir konnte er nur denken, dass du, wenn du ihn hattest, ihn vor ihm verborgen hattest, und das hat ihm genügt, über deine Leiche zu gehen, um dir diese Schale abzunehmen. Aber er hat nie gesagt, dass er der Mörder Friedrichs war.«
    »Und wer war es dann?«
    »Ihr habt fünfzehn Jahre lang gedacht, dass Friedrich durch einen Zufall ums Leben gekommen sei ...«
    »Wir haben uns darauf versteift, das zu denken, um uns nicht gegenseitig zu verdächtigen. Außerdem gab es ja das Phantom von Zosimos, mit dem hatten wir einen Schuldigen.«
    »Mag sein. Aber glaub mir, ich habe in den kaiserlichen Palästen viele Verbrechen gesehen. Auch wenn unsere Kaiser sich immer damit ergötzten, ausländischen Besuchern wunderbare Maschinen und Automaten vorzuführen, habeich doch nie gehört, dass jemand diese Maschinen zum Töten benutzte. Hör zu, du wirst dich erinnern, als du das erste Mal auf Ardzrouni zu sprechen kamst, habe ich dir gesagt, dass ich ihn in Konstantinopel kennengelernt hatte und dass einer meiner Freunde aus Selymbria ein- oder zweimal auf seiner Burg gewesen war. Dieser Freund heißt Paphnutios, er ist ein Mann, der vieles über Ardzrounis technische Hexereien weiß, weil er selber ganz ähnliche Maschinen für die Kaiserpaläste konstruiert hat. Und er weiß auch sehr gut, wo diese Hexereien ihre Grenzen haben, denn einmal, zur Zeit von Andronikos, hatte er dem Kaiser einen Automaten versprochen, der sich im Kreis drehen und eine Standarte schwenken würde, sobald der Kaiser in die Hände klatschte. Er baute den Automaten, Andronikos wollte ihn während eines Festessens mit ausländischen Gesandten vorführen und klatschte in die Hände, der Automat rührte sich nicht, und Paphnutios wurden die Augen ausgestochen. Ich werde ihn fragen, ob er Lust hat, uns besuchen zu kommen. Hier in Selymbria hat man ja als Verbannter nicht viel Abwechslung.«
     
    Paphnutios kam, geführt von einem Knaben. Trotz seines Unglücks und seines Alters war er ein wacher und scharfsinniger Mann. Er unterhielt sich mit Niketas, den er lange nicht gesprochen hatte, und

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