Baudolino - Eco, U: Baudolino
denn ich habe aus Ehrgeiz vor vielen Jahren gewollt, dass meine Kirche die schönste und berühmteste von allen sein sollte, und habe eine Sünde begangen.«
Welche Sünde konnte dieser arme Alte schon begangen haben? Baudolino fragte es ihn.
»Vor vielen Jahren hat mir ein orientalischer Reisender die prächtigsten Reliquien der Christenheit zum Kauf angeboten: die unversehrten Leiber der drei Magier aus dem Morgenland.«
»Die drei Magierkönige? Alle drei? Unversehrt?«
»Drei Magier, unversehrt. Sie schienen zu leben, ich meine, sie schienen gerade erst gestorben zu sein. Ich wusste, dass es nicht wahr sein konnte, denn von den Magiern spricht nur ein Evangelium, das des Matthäus, und es sagt nur sehr wenig über sie. Es sagt nicht, wie viele sie waren, woher sie kamen, ob sie Könige oder Weise waren ... Es sagt nur, dass sie nach Jerusalem kamen, indem sie einem Stern folgten. Kein Christenmensch weiß, woher sie stammten und wohin sie zurückgekehrt sind. Wer hätte ihr Grab finden können? Deswegen habe ich den Mailändern nie zu sagen gewagt, dass ich diesen Schatz besaß. Ich fürchtete, sie würden ihn aus Habgier dazu benutzen, die Gläubigen ganz Italiens herzulocken, um mit einer falschen Reliquie Geld zu verdienen ...«
»Also hast du nicht gesündigt.«
»Ich habe gesündigt, denn ich habe sie an diesem geweihten Ort verborgen gehalten. Ich habe immer auf ein Zeichen des Himmels gewartet, aber es ist nicht gekommen.Jetzt will ich nicht, dass diese Vandalen sie finden. Sie könnten die drei sterblichen Hüllen unter sich aufteilen, um einige dieser Städte, die uns heute zerstören, mit einer überragenden Würde auszustatten. Ich bitte dich, mach, dass alle Spuren meiner einstigen Schwäche verschwinden. Such dir Helfer, komm heute Abend, um diese zweifelhaften Reliquien fortzuschaffen und verschwinden zu lassen. Mit ein wenig Mühe sicherst du dir dadurch das Paradies, das ist doch nicht wenig.«
»Siehst du, Kyrios Niketas, und da ist mir eingefallen, dass Otto von den Magiern im Zusammenhang mit dem Reich des Priesters Johannes gesprochen hatte. Sicher, wenn dieser arme alte Pfarrer sie einfach so vorgezeigt hätte, als wären sie aus dem Nichts gekommen, hätte ihm niemand geglaubt. Aber muss eine Reliquie, um echt zu sein, wirklich auf den Heiligen oder das Ereignis zurückgehen, von dem sie ein Teil ist?«
»Nein, kaum. Viele Reliquien, die hier in Konstantinopel aufbewahrt werden, sind höchst zweifelhafter Herkunft, aber der Gläubige, der sie küsst, spürt, dass ihnen übernatürliche Düfte entströmen. Es ist der Glaube, der sie echt macht, nicht sie den Glauben.«
»Genau. Auch ich dachte mir, dass eine Reliquie dann etwas taugt, wenn sie ihren Platz in einer wahren Geschichte findet. Außerhalb der Geschichte des Priesters Johannes mochten diese Magier der Betrug eines Teppichhändlers sein, innerhalb der wahrheitsgemäßen Geschichte dieses Priesterkönigs wurden sie zu einem sicheren Zeugnis. Eine Pforte ist nur eine Pforte, wenn sie einen Palast um sich herum hat, sonst wäre sie nur eine Öffnung, was sage ich, nicht einmal das, denn eine Leere ohne etwas Volles drumherum ist nicht mal eine Leere. So begriff ich damals, dass ich im Besitz der Geschichte war, in der diese Magier etwas bedeuten konnten. Ich dachte mir, wenn ich etwas über Johannes sagen musste, um den Kaiser dazu zu bringen, sich auf den Weg nach Osten zu machen, dann würde die Bestätigung durch die Magier, die fraglos aus dem Osten kamen, meine Argumentation bestärken.Diese armen drei Könige aus dem Morgenland schliefen da in ihrem Sarkophag und ließen zu, dass Pavesaner und Lodianer die Stadt zerstörten, die sie ohne es zu wissen in ihren Mauern beherbergte. Sie schuldeten ihr nichts, dieser Stadt, sie hielten sich nur vorübergehend in ihr auf, wie in einer Herberge, um nach einer Weile weiterzuziehen, im Grunde waren sie von Natur aus Weltenbummler – hatten sie sich nicht von wer weiß woher aufgemacht, um einem Stern zu folgen? Mir oblag es, diesen drei Leibern ein neues Bethlehem zu geben.«
Baudolino wusste, dass eine gute Reliquie geeignet war, das Schicksal einer ganzen Stadt zu verändern, sie zum Ziel einer ununterbrochenen Pilgerfahrt zu machen, eine Kirche in eine Wallfahrtsstätte zu verwandeln. Wer könnte ein Interesse an diesen Magiern haben? Rainald von Dassel fiel ihm ein: Vor kurzem war ihm das Erzbistum Köln angetragen worden, aber er musste noch hingehen und sich
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