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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Versuch, ihnen die Kleider auszuziehen, sofort auseinanderfiel. »Egal«, sagte Rainald, »wenn sie erstmal in Köln sind, wird niemand mehr den Schrein öffnen. Führt Stöcke ein, irgendwas, das sie aufrecht hält, wie man's bei Vogelscheuchen macht. Aber respektvoll bitte!«
    »Herrje«, lamentierte der Poet, »auch sturzbesoffen hätte ich nie gedacht, dass ich irgendwann mal den Heiligen Drei Königen hinten reinfahren würde.«
    »Sei still und mach«, sagte Baudolino. »Wir handeln zum höheren Ruhme des Reiches.« Der Poet fluchte gotteslästerlich, aber am Ende sahen die Magier aus wie Kardinäle der Heiligen Römischen Kirche.
     
    Am nächsten Morgen reiste Baudolino nach Paris ab. Dort machte ihn Abdul, der über die orientalischen Dinge einiges wusste, mit einem Kanonikus von Sankt Viktor bekannt, der noch viel mehr darüber wusste.
    »Die Magier aus dem Morgenland, ha!« sagte er. »In der Tradition werden sie dauernd genannt, und viele Kirchenväter haben von ihnen gesprochen, aber drei der vier Evangelien verschweigen sie, und die Zitate aus Jesaja und anderen Propheten sind unklar, manche haben sie so gelesen, als sprächen sie von den Magiern, aber sie könnten auch anderes gemeint haben. Wer waren sie, wie hießen sie wirklich? Einer sagt Hormidz aus Seleukia, König von Persien, Jazdegard, König von Saba, und Peroz, König von Seba; andere Hor, Basander und Karundas. Aber nach Auskunft höchst glaubwürdiger Autoren hießen sie Gaspar, Melkon und Baldassarre, oder Melco, Caspare und Fadizzarda. Oder auch Magalath, Galgalath und Saracin. Oder vielleicht Appelius, Amerus und Damascus ...«
    »Appelius und Damascus sind sehr schöne Namen, sie erinnern an ferne Länder«, sagte Abdul versonnen.
    »Und wieso Karundas nicht?« protestierte Baudolino. »Es geht nicht darum, drei Namen zu finden, die dir gefallen, sondern drei richtige Namen.«
    Der Kanonikus fuhr fort: »Ich würde für Bithisarea, Melichiorre und Gataspha plädieren, der erste König von Godolien und Saba, der zweite König von Nubien und Arabien, der dritte König von Tharsis und der Insel Egrisoulla. Kannten sie sich schon, bevor sie die Reise antraten? Nein, sie sind sich erst in Jerusalem begegnet und haben sich wunderbarerweise sofort erkannt. Andere sagen jedoch, sie seien Weise gewesen, die auf dem Berg Vaus oder Berg des Sieges lebten, von dessen Gipfel aus sie die Zeichen am Himmel erforschten, und nach dem Besuch beim Jesuskind seien sie dorthin zurückgekehrt, und später hätten sie sich mit dem Apostel Thomas zusammengetan, um Indien zu missionieren, allerdings seien sie nicht drei, sondern zwölf gewesen.«
    »Zwölf Magierkönige? Ist das nicht zu viel?«
    »Das sagt auch Johannes Chrysostomos. Anderen Autoren zufolge hießen sie Zhrwndd, Hwrmzd, Awstsp, Arsk, Zrwnd, Aryhw, Arthsyst, Astnbwzn, Mhrwq, Ahsrs, Nsrdyh und Mrwdk. Aber man muss vorsichtig sein, denn Origenes sagt, sie seien drei gewesen, wie die drei Söhne Noahs und wie die drei Indien, aus denen sie kamen.«
    Die Magier mochten von ihm aus auch zwölf gewesen sein, meinte Baudolino, aber in Mailand hätten sie drei gefunden, und für diese drei müssten sie eine akzeptable Geschichte konstruieren. »Sagen wir, sie hießen Kaspar, Melchior und Balthasar, das sind Namen, die man leichter aussprechen kann als diese wunderlichen Rülpser und Nieser, die unser ehrwürdiger Magister da eben von sich gegeben hat. Das Problem ist, wie sie nach Mailand gekommen sind.«
    »Das scheint mir kein Problem zu sein«, sagte der Kanonikus, »nachdem sie nun einmal dort angekommen sind. Ich bin überzeugt, ihr Grab auf dem Berg Vaus hat die Kaiserin Helena gefunden, die Mutter Konstantins. Eine Frau, die imstande war, das echte Kreuz Christi zu finden, war sicherlich auch imstande, die echten Magier zu finden. Und Helena hat sie nach Konstantinopel in die Hagia Sophia gebracht.«
    »Nein, das nicht, sonst fragt uns der Ostkaiser noch, wie wir sie bekommen haben«, sagte Abdul.
    »Keine Angst«, sagte der Kanonikus. »Wenn sie in der Basilika des heiligen Eustorgius gewesen waren, hatte sie zweifellos dieser Heilige dorthin gebracht, der von Byzanz aufgebrochen war, um Bischof von Mailand zu werden – zur Zeit des Basileus Maurikios, lange bevor bei uns Karl der Große lebte. Eustorgius konnte die Magier unmöglich gestohlen haben, infolgedessen hatte er sie vom Kaiser des Byzantinischen Reiches geschenkt bekommen.«
     
    Mit einer so schön konstruierten Geschichte kehrte

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