Baudolino - Eco, U: Baudolino
weiße und rote Löwen, stumme Zikaden, Greife, Tiger, Lamien, Hyänen, lauter solche, die man bei uns nie sieht und deren Leiber kostbare Trophäen für die sind, die sich entschließen, dort auf die Jagd zu gehen. Und dann nie gesehene Menschen, von denen jedoch in den Büchern über die Natur der Dinge und des Kosmos die Rede ist ...«
»Wilde Pfeilschützen, Menschen mit Hörnern, Faune, Satyrn, Pygmäen, Kynozephalen, Giganten, die vierzig Ellen groß sind, Zyklopen, die nur ein Auge haben«, schlug Kyot vor.
»Gut, gut, schreib, Abdul, schreib!« sagte Baudolino.
Im übrigen brauchten sie nur aufzugreifen, was in den Jahren zuvor gedacht und gesagt worden war, und es ein bisschen zu verschönern. Das Land des Priesters Johannes quoll über von Milch und Honig (Rabbi Solomon war entzückt, Nachklänge der Torah zu finden), es gab darin weder Schlangen noch Skorpione, es wurde durchzogen vom Fluß Ydonus, der direkt aus dem Irdischen Paradies kommt, und in ihm fanden sich ... Sand und Steine, schlug Kyot vor. Nein, antwortete Rabbi Solomon, das ist der Sambatyon. Ach ja, der Sambatyon, müssen wir den nichtauch mit reinnehmen? Doch, aber später, der Ydonus kommt aus dem Irdischen Paradies, und daher enthält er ... Smaragde, Topase, Karfunkel, Saphire, Chrysolithe, Onyxe, Berylle, Amethyste, zählte Kyot auf, der erst vor kurzem dazugekommen war und nicht verstand, warum seine Freunde hier unmissverständliche Zeichen des Überdrusses von sich gaben (wenn ihr mir noch einmal mit einem Topas kommt, schluck ich ihn runter und kacke ihn aus dem Fenster raus! schrie Baudolino), denn inzwischen, nach all den Inseln der Seligen und Paradiesen, die sie im Laufe ihrer Recherche gesehen hatten, konnten sie keine Edelsteine mehr ausstehen.
So schlug Abdul vor, in Anbetracht, dass ja das Reich im Orient lag, seltene Spezereien zu nennen, und sie optierten für Pfeffer. Von dem Boron behauptete, er wachse auf Bäumen, die voller Schlangen seien, und wenn er reif sei, stecke man die Bäume in Brand, damit die Schlangen herunterkämen und sich in ihre Löcher verkröchen; alsdann trete man zu den Bäumen und schüttele sie, so dass der Pfeffer von den Zweigen falle, und dann werde er zubereitet, aber niemand wisse, wie.
»Können wir jetzt auch den Sambatyon reintun?« fragte Solomon. »Rein damit«, sagte der Poet, »dadurch wird klar, dass die zehn verstreuten Stämme jenseits des Flusses leben. Oder besser noch, erwähnen wir sie ausdrücklich, dann trägt der Umstand, dass Friedrich auch die zehn Stämme Israels wiederfinden kann, noch mehr zu seinem Ruhme bei.« Abdul merkte an, dass der Sambatyon auch deshalb benötigt werde, weil er das unüberwindliche Hindernis darstellte, das alles Streben vereitele und die Begierde anstachele, sprich: die Eifersucht. Jemand schlug vor, auch einen unterirdischen Bach voller Edelsteine zu erwähnen, und Baudolino meinte, Abdul könne ihn ruhig hinschreiben, aber er, Baudolino, wolle damit nichts zu tun haben, aus Angst, noch einmal das Wort Topas zu hören. Unter Berufung auf Plinius und Isidor von Sevilla beschlossen sie statt dessen, in jenes Land auch die Salamander zu tun, das sind vierbeinige Schlangen, die nur im Feuer leben.
»Es genügt, dass es wahr ist, dann tun wir sie rein«, sagte Baudolino. »Hauptsache, wir erzählen hier keine Fabeln.«
Der Brief erging sich noch eine Weile über die Tugenden, die in jenem Lande herrschten: Jeder Pilger werde aufs wärmste empfangen, es gebe keinerlei Arme, es gebe weder Räuber noch Habgierige noch Schmeichler. Gleich danach versicherte der Priester, er sei überzeugt, dass ihm niemand an Reichtum und an Zahl seiner Untertanen gleichkomme. Um eine Probe dieses Reichtums zu geben, die übrigens auch Sindbad in Sarandib gesehen hatte, beschrieb er sodann, wie er gegen seine Feinde in den Krieg zu ziehen pflegte, nämlich indem er anstelle von Fahnen dreizehn hohe, reich mit Juwelen besetzte Kreuze vor sich herziehen ließ, jedes auf einem Wagen und jeder Wagen gefolgt von zehntausend Reitern und hunderttausend Fußsoldaten. Zog er dagegen in Friedenszeiten aus, so wurde ihm nur ein schlichtes hölzernes Kreuz vorangetragen, zum Gedenken an die Passion des Herrn, sowie ein goldenes Gefäß voller Erde zur Mahnung, dass wir aus Staub sind und wieder zu Staub zerfallen werden. Damit jedoch niemand vergaß, dass der Vorbeiziehende immerhin der König der Könige war, wurde ihm auch ein silbernes Gefäß voller Gold
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