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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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vorangetragen. »Wenn du da jetzt wieder Topase rein tust, haue ich dir das Ding über den Schädel«, warnte Baudolino. Daraufhin ließ Abdul sie für diesmal beiseite.
    »Aber schreib noch, dass es dort keine Ehebrecher gibt und dass dort niemand lügen darf, und wer es doch tut, stirbt auf der Stelle, will sagen, es ist so, als ob er stürbe, denn er wird ausgestoßen und niemand kümmert sich mehr um ihn.«
    »Aber ich habe schon geschrieben, dass es dort keine Laster gibt und keine Räuber ...«
    »Egal, schreib's noch mal, das Reich des Priesters Johannes muss als ein Ort erscheinen, wo es den Christen gelingt, Gottes Gebote zu befolgen, während es dem Papst nicht gelungen ist, bei seinen Kindern etwas auch nur annähernd Ähnliches zu erreichen, im Gegenteil, er lügt selber, sogarnoch mehr als die anderen. Im übrigen, je mehr du darauf insistierst, dass dort niemand lügt, desto einleuchtender wird, dass alles, was Johannes sagt, die reinste Wahrheit ist.«
    Weiter schrieb Johannes, dass er jedes Jahr mit einem großen Heer das Grab des Propheten Daniel im zerstörten Babylon besuche, dass man in seinem Lande Fische fange, aus deren Blut die Purpurfarbe gewonnen werde, und dass er seine Herrschaft auch über die Amazonen und die Brahmanen ausübe. Das mit den Brahmanen war Boron nützlich erschienen, weil die Brahmanen von Alexander dem Großen gesehen worden waren, als dieser an die Ränder des allerfernsten Ostens gelangt war. Ihre Präsenz bewies daher, dass das Reich des Priesters Johannes sogar das Reich Alexanders geschluckt hatte.
    Nun blieb nichts weiter mehr zu tun, als seinen Palast und seinen magischen Spiegel zu beschreiben, und über diesen hatte der Poet schon an den vorangegangenen Abenden alles Nötige gesagt. Er rief es nur kurz in Erinnerung, wobei er Abdul ins Ohr flüsterte, damit Baudolino nicht schon wieder von Topasen und Beryllen reden hörte, denn es war klar, dass sie diesmal nicht fehlen durften.
    »Ich glaube, wer das liest«, sagte Rabbi Solomon am Ende, »wird sich fragen, warum ein so mächtiger König sich lediglich Priester nennen lässt.«
    »Richtig, und das bringt uns zum Schluss«, sagte Baudolino. »Schreib, Abdul ...«
     
    Warum, o geliebter Friedrich, sich Unsere Erhabenheit nicht einen würdigeren Titel als den des Presbyters gestattet, ist eine Frage, die Deiner Klugheit Ehre macht. Gewiss haben Wir an Unserem Hofe Ministerialen, die mit viel höheren Titeln und Ämtern versehen sind, besonders was die kirchliche Hierarchie betrifft ... Unser Truchsess ist Primas und König, Unser Mundschenk König und Erzbischof, Unser Kämmerer Bischof und König, Unser Seneschall König und Archimandrit, Unser Küchenmeister König und Abt. Daher hat Unsere Hoheit, da sie es nicht ertragen konnte, mit den nämlichen Titeln und Würden bezeichnet zu werden, von denen Unser Hof überfließt, aus Demut beschlossen, einen geringeren Titel und niedrigeren Rang zu führen. Für den Augenblick mag es Dir genügen zu wissen, dass Unser Reich sich auf der einen Seite über vier Monate Fußmarsch erstreckt und auf der anderen so weit, dass niemand weiß, wo es endet. Könntest Du die Sterne am Himmel zählen und die Sandkörner am Meer, so könntest Du Unsere Besitztümer und Unsere Macht ermessen.
     
    Es wurde schon fast hell, als unsere Freunde den Brief beendeten. Die vom Honig genommen hatten, befanden sich noch in einem Zustand lächelnden Staunens, die nur Wein getrunken hatten, waren beschwipst, der Poet, der sich beides genehmigt hatte, konnte sich nur mit Mühe auf den Beinen halten. Singend torkelten sie durch die Gassen und Straßen, zeigten einander voller Ehrfurcht das Pergament und glaubten inzwischen fest, dass es soeben aus dem Reich des Priesters Johannes eingetroffen sei.
     
    »Hast du es gleich an Rainald geschickt?« fragte Niketas.
    »Nein. Nach der Abreise des Poeten haben wir es monatelang immer wieder gelesen und überarbeitet, einzelne Stellen abgeschabt und neu geschrieben. Immer wieder schlug jemand irgendeine Ergänzung vor.«
    »Aber Rainald wartete doch sicher auf den Brief, oder?«
    »Die Sache war die, dass Rainald inzwischen seines Postens als Reichskanzler enthoben und durch den Mainzer Erzbischof Christian von Buch ersetzt worden war. Gewiss war Rainald in seiner Eigenschaft als Erzbischof von Köln auch Erzkanzler von Italien und noch immer sehr mächtig, was man unter anderem auch daran sah, dass er es war, der die Heiligsprechung Karls des Großen

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