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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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auch deine Gedichte taugten nicht eben viel. Von der Demütigung und vom Groll zerfressen, hatte der Poet einige überaus leichtlebige Jahre in Pavia verbracht, wo er das einzige tat, was er wirklich konnte, nämlich trinken und die Gedichte Baudolinos vortragen (besonders einen Vers, der prophetisch fragte: Quis Papie demorans castus habeatur – Wer kann, in Pavia wohnend, keusch bleiben?). Baudolino nahm ihn mit sich an den Hof, und in seiner Gesellschaft erschien der Poet wie einer von Friedrichs Mannen. Zudem war inzwischen sein Vater gestorben, er hatte sein Vermögen geerbt, und selbst die Feinde des verstorbenen Rainald sahen in ihm nicht mehr einen Parasiten, sondern einen miles unter vielen und nicht schlimmer als die anderen.
    Gemeinsam riefen sie sich die Zeiten des Briefes in Erinnerung und beglückwünschten sich erneut zu dieser schönen Unternehmung. Ein Spiel als Spiel zu betrachten hieß ja nicht, es nicht mehr zu spielen. In Baudolino war die Sehnsucht nach jenem nie gesehenen Reich lebendiggeblieben, und immer wieder hatte er, wenn er allein war, sich den Brief laut vorgelesen und seinen Stil weiter perfektioniert.
     
    »Der Beweis, dass ich den Brief nicht vergessen konnte, war, dass ich Friedrich dazu überreden konnte, meine Pariser Freunde an seinen Hof kommen zu lassen, alle miteinander. Ich sagte ihm, dass es gut sei, wenn in der Kanzlei eines Kaisers Leute säßen, die eine gute Kenntnis der Sprachen und Gebräuche anderer Länder hätten. In Wahrheit wollte ich, da Friedrich mich immer häufiger als seinen vertraulichen Boten benutzte, mir einen eigenen kleinen Hofstaat schaffen, bestehend aus dem Poeten, Abdul, Boron, Kyot und Rabbi Solomon.«
    »Du willst mir doch nicht erzählen, dass der Kaiser sich einen Juden an den Hof geholt hat!«
    »Warum nicht? Er musste ja nicht gerade bei den großen Feierlichkeiten in Erscheinung treten oder mit ihm und seinen Erzbischöfen in die Messe gehen. Wenn die Fürsten ganz Europas und sogar der Papst jüdische Ärzte haben, warum sollte man sich dann nicht einen Juden in Reichweite halten dürfen, der das Leben der Mauren in Spanien kannte und viele andere Dinge der Länder des Orients? Außerdem sind die germanischen Fürsten immer sehr barmherzig mit den Juden gewesen, mehr als alle anderen christlichen Könige. Wie mir Otto erzählt hat, als die Ungläubigen Edessa zurückerobert hatten und viele christliche Fürsten erneut der Predigt Bernhards von Clairvaux folgten und das Kreuz nahmen (und selbst Friedrich nahm es ja damals), da hetzte ein Mönch namens Radolf die Pilger auf, alle Juden in den Städten, durch die sie zogen, zu massakrieren. Und es wurde tatsächlich ein Massaker. Aber an diesem Punkt baten viele Juden den Kaiser um Schutz, und er erlaubte ihnen, sich in die Stadt Nürnberg zu retten und dort sicher zu leben.«
     
    Kurzum, Baudolino war wieder mit seinen Studienfreunden vereinigt. Nicht dass diese am Hof viel zu tun gehabt hätten. Solomon setzte sich in jeder Stadt, durch die siekamen, mit seinen örtlichen Glaubensbrüdern in Verbindung, und er fand überall welche (»Gemeine Quecke«, stichelte der Poet). Abdul hatte entdeckt, dass man in Italien das Provenzalische seiner Lieder besser verstand als in Paris, Boron und Kyot verbissen sich in dialektische Dispute, Boron versuchte Kyot davon zu überzeugen, dass die Nichtexistenz der Leere entscheidend sei, um die Einzigartigkeit des Gradals zu beweisen, Kyot hatte sich in den Kopf gesetzt, dass der Gradal ein vom Himmel gefallener Stein sei, lapis es coelis , und von ihm aus konnte er auch durch leerste Räume aus einem anderen Universum gekommen sein.
    Wenn sie nicht gerade ihre privaten Steckenpferde ritten, diskutierten sie oft alle miteinander über den Brief des Priesters, und mehr als einmal wollten die Freunde von Baudolino wissen, wieso er Friedrich nicht zu jener Reise drängte, die sie so gut vorbereitet hatten. Eines Tages, als er gerade zu erklären versuchte, wie viele Probleme der Kaiser erst noch zu lösen habe, sowohl in Deutschland wie auch in Italien, sagte der Poet, es würde sich vielleicht lohnen, selbst auf die Suche nach dem Reich des Priesters zu gehen, ohne zu warten, bis der Kaiser soweit sei. »Der Kaiser könnte aus dieser Unternehmung einen zweifelhaften Gewinn ziehen. Stellt euch vor, er kommt zum Land des Priesters und gelangt zu keiner Einigung mit ihm. Er würde geschlagen zurückkehren, und wir hätten ihm nur Schaden zugefügt. Machen wir

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